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Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern

Titel: Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel
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nicht aufgefordert von den Erwachsenen, ob Lehrer oder Eltern von Mitschülern, doch mal von ihrem Land zu erzählen, in ihrer Sprache zu sprechen, uns mit ihren Ritualen und Gewohnheiten in Berührung zu bringen.
    Der wunderbare Film Die Schweizermacher mit Emil Steinberger lieferte vor gut 30 Jahren einen Eindruck davon, wie sehr sich diese Migranten anstrengen mussten, um sich der Schweizer Staatsbürgerschaft als würdig zu erweisen. Eine nicht aufgeräumte Wohnung, ein Abendessen, das nicht Punkt 18 Uhr auf dem Tisch stand, mitten im Tag spontane Festivitäten und Ausgelassenheit, Eheprobleme oder freizügige Bekleidung - alles Anlass für die zwei Schweizermacher, den Wunsch nach Einbürgerung sorgfältigst zu überdenken. Schließlich ging es bei der Einbürgerung ja um so etwas wie die Eintrittskarte ins Paradies. Und im Paradies wollte man nicht Krethi und Plethi haben, sondern seinesgleichen, also Wertkonservative mit einem ordentlichen Sümmchen auf dem Schweizer (Nummern-)Konto. Wenn der Begriff der doppelten Moral damals nicht schon existiert hätte - man hätte ihn erfinden müssen
    Doppelte Moral begegnet uns auch hier in Deutschland im Umgang mit den Migrantenkindern. Ihnen wird oft vorgeworfen, vor allem den Jugendlichen, dass sie unter sich bleiben wollen. Ist es wirklich ein Wollen - oder nicht eher ein Müssen? Die Ehrlichkeit der Eltern ist mitunter erstaunlich,
sagte mir doch ein Vater: »Mein Sohn war nicht der Schlechteste im Aufsatz, sein Freund war noch eine Note schlechter. Ja, und dann halt die Türken in der Klasse … aber das ist nicht relevant...« Ich fragte den Vater, wie viele türkische Kinder es denn in der Klasse gebe, einige davon seien sicherlich deutsche Kinder türkischen Ursprungs. Er antwortete wie aus der Pistole geschossen: »Sieben, allerdings ist ein Mädchen dabei, das sich mächtig anstrengt, die schreibt erstaunlicherweise sehr gute Aufsätze.« Den Namen des besten Freundes seines Sohnes kannte er damals nicht, doch wie viele Migranten in der Klasse sind, wusste er sofort.
    Ich mache diesem Vater keinen Vorwurf. So deutliche Worte wie er benutzen wenige, doch viele Eltern denken genauso. Und Lehrer leider manchmal auch. Migrantenkinder sind nicht nur in der Schweiz der 1960er-Jahre nicht dümmer als die Mitschüler ohne Migrantenherkunft, sondern auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts gibt es keine entsprechenden Unterschiede. Nur unsere Sicht auf diese Kinder ist eine andere. Wir trauen ihnen weniger zu. Und da tritt das Spiegelgesetz automatisch in Kraft: Wenn Erwachsene den Kindern wenig zutrauen, glauben die Kinder den Erwachsenen. Wenn wir glauben, dass es Migrantenkinder »einfach nicht so drauf haben« (so eine Jugendliche), dann werden sie in den seltensten Fällen den Teufel tun und uns das Gegenteil beweisen.
    Außenseiterkinder haben es in der Kindheit schwerer als Kinder, die in ihren Interessen und in ihrem Verhalten der Mehrheit entgegenkommen. Doch wenn die Eltern so ein Außenseiterkind haben und es nicht ein früheres, nicht bewältigtes Außenseitertum eines Elternteils weitertragen soll, sollten es die Eltern unterstützen. Diese Kinder zeigen und entwickeln oft Spezialisierungen, die zwar in der Kindheit bei Gleichaltrigen Ratlosigkeit auslösen können, doch im Erwachsenenalter häufig Früchte tragen. Wenn hingegen eine
Minderheit ins Außenseitertum geschoben wird, damit die Schweizer sich nicht mit ihren eigenen Ungereimtheiten beschäftigen müssen oder Deutsche ihren individuellen Gegenwarts- oder Zukunftsängsten einen Namen geben können und eigene Selbstkritik so umgangen werden kann, wird’s kritisch und etwas verlogen.
    Sartre hat einmal davon gesprochen, dass »die Hölle die anderen sind«. Was andere auch immer sein mögen, sie sind nicht in unserer Reichweite, wenn es um persönliche Veränderung geht. Dass Deutschland ein multikulturelles Land geworden ist, ist ein Faktum. Und Fakten kann man nur mit Aufgeschlossenheit begegnen, nicht mit Verdrängung. Unsere Kinder geben uns die Richtung vor - wenn wir ihnen nachgehen und sie nicht auf einen Weg zurückbringen wollen, auf welchem der Linienverkehr schon eingestellt worden ist, weil die Gleise längst stillgelegt worden sind. In einigen Köpfen unserer Erwachsenengeneration fahren noch Züge mit »rein deutschen« Ausflugsklassen. In der Wirklichkeit schon lange nicht mehr.

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