Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
von seinem Vater wiederholt zu hören bekommt.
Außenseiter
Eltern kommen manchmal mit dem Wunsch in die Praxis, ihr Kind aus seiner Außenseiterrolle in der Schule zu befreien. Der Sohn oder die Tochter finde nicht so richtig Kontakt zu den Mitschülern, sei am liebsten für sich, es kämen kaum Anrufe von Mitschülern. Das Kind werde selten oder gar nicht zu Geburtstagen eingeladen.
Meistens haben diese Kinder Hobbys, welche sie mit anderen nicht teilen können oder höchstens mit nur einem Freund. Sie spielen, wenn es sich um Jungen handelt, meistens nicht Fußball, mögen auch den Sportunterricht nicht sonderlich, sind oft stille Wasser in den Augen der anderen. Die Mädchen machen weder Hip-Hop noch Videoclip-Dancing,
interessieren sich nicht sonderlich für den neuesten Modeschrei, gehören eher zu den Leisen im Klassenverband. Diese Kinder lassen sich in keinen Mainstream einordnen. Sind es deswegen schon unglückliche und unzufriedene Kinder, die einer Therapie bedürfen?
Der Wunsch der Eltern, kein Außenseiterkind zu haben, ist legitim - wenn das Kind darunter leidet. Doch das tun diese Kinder bei Weitem nicht immer. Ihr Leiden beginnt erst, wenn sie das Gefühl bekommen, dass ihre Eltern darunter leiden. Manchmal sind solche Eltern auf der richtigen Spur mit ihrem Therapiewunsch, doch manchmal vermischen sie auch eigene Erfahrungen mit einer Außenseiterrolle mit dem selbst gewählten Anderssein ihres Kindes. Es ist oft schwer, als Außenstehender zu beurteilen, ob hier Handlungsbedarf besteht oder das Kind nicht eher von den Eltern in seiner Individualität unterstützt werden sollte.
Gefühlsmäßig neige ich eher dazu, auch bei Kindern dieselbe charakterliche Vielfalt zu erwarten und zu fördern, wie sie bei uns Erwachsenen ganz selbstverständlich besteht. Natürlich tun sich solche Kinder schwer im ersten Moment, wenn sich Mitschüler nicht für dieselben Inhalte begeistern wie sie selber. Bei Erwachsenen ist das doch genauso. Allerdings hat deren Toleranz dem Fremden gegenüber mit steigender Lebenserfahrung stetig zunehmen können.
Kinder suchen sich schon im Kindergarten zuerst einmal Freunde aus, die ihnen in der fremden Umgebung Vertrautes zu bieten haben. Die etwa auch liebend gern mit Barbiepuppen spielen oder aus Bauklötzen hohe Türme bauen wollen. Wenn die Sicherheit größer geworden ist, wagt sich der kleine Knirps schon mal an einen »ganz anderen« heran. Das sind dann die Freundschaften, bei welchen die Eltern sagen: »… erstaunlich, dass mein ruhiger Sohn sich gerade den wildesten Jungen ausgesucht hat!« Warum nicht, er will ja
wachsen, dazulernen, seinen sozialen Radius erweitern. Sehr konsequent, dieser kleine Junge.
»Dass meine quirlige Tochter sich gerade dieses introvertierte Mädchen ausgesucht hat, komisch...« Dieses introvertierte Mädchen kann vielleicht wunderbar Rollenspiele erfinden. Es könnte aber auch ganz einfach sein, dass es sich besser herumkommandieren lässt als eine Zweitausgabe der kleinen selbstbewussten Wirbelwind-Tochter!
Hier, in diesem Kleinkindalter, werden schon erste Weichen gestellt in Bezug auf Toleranz. Wenn der vom Kindergarten frisch inspirierte Sohnemann plötzlich Kung-Fu-Techniken bei der noch etwas kleineren Schwester anwenden will und die Eltern empört die fremden Kindergarteneinflüsse zurückweisen mit den Worten: »Das machen wir hier nicht, verstanden!«, statt Neugierde zu zeigen, dann kombiniert der kleine Sohn blitzschnell, dass Außenkontakte nur Ärger bringen. Natürlich ist die kleine Schwester nicht die geeignete Trainingspartnerin. Doch darauf können die Eltern ja ruhig hinweisen, nachdem sie sich den neu erworbenen »Schatz« ihres Sohnes haben zeigen lassen - am besten an sich selber. Eltern haben sehr schnell passende Kontakte für ihre Kinder im Blick. Kinder interessieren sich aber in der Regel nicht für die »passenden« Kontakte, sondern spüren selber recht gut, wen sie gerade brauchen.
Wiederholt beobachte ich die elterliche Unsicherheit, manchmal sogar Vorurteile, vieler deutscher Eltern gegenüber Spielgefährten ihrer Kinder mit Migrantenhintergrund. Um es klar zu sagen: Diese Kinder, die oft die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sind genauso gute Freunde für deutschstämmige Kinder wie alle anderen auch. Diese Vorbehalte gegenüber Migrantenkindern sind nicht mehr das Problem unserer Kinder, sondern der jetzigen Elterngeneration. Unsere Kinder wachsen ganz selbstverständlich in einer
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