Damon Knight's Collection 02 (FO 03)
emporschaute. Er blickte wieder vor sich, und da lag das Bett des kleinen Baches fast zu seinen Füßen. Er konnte sich nicht erinnern, in welcher Richtung er gegangen war, und Panik ergriff ihn.
»Gib es auf«, sagte Garcia. »Fühlst du es jetzt?«
»Ich fühle etwas, aber was es ist …«
»Fühlst du dich vielleicht verirrt ?« fragte der Mexikaner.
»Nein, nicht verirrt. Das Lager, oder jedenfalls Krüger, ist dort.« Kinross zeigte flußaufwärts.
»Bist du sicher, daß es nicht flußabwärts ist?«
»Todsicher«, beharrte Kinross.
»Na, dann geh zurück, ich werde dich dort treffen«, sagte der Mexikaner und ging flußabwärts. »Achte unterwegs auf Kennzeichen«, rief er über die Schulter.
Kinross entdeckte keine Kennzeichen. Nichts hob sich von der allgemeinen Weite ab. Als er sich der Gruppe um Krügers Gestalt näherte, sah er Garcia aus der entgegengesetzten Richtung am Ufer herankommen.
»Garcia, fließt dieser verflixte Bach im Kreis?« rief er verblüfft aus.
»Nein«, sagte der Mexikaner. »Jetzt fühlst du es, nicht wahr? Diese Welt ist in sich geschlossen, und man kann sie nicht besser einrichten. Jedesmal, wenn man die Uferböschung hinaufsteigt, führt es einen hinab zum Bachbett. Welche Richtung man auch am Bach einschlägt, man gelangt zu Krüger.«
Kinross erwachte und sah, wie Kerbeck sich im Bach Wasser über den Kopf spritzte. Garcia lag in der Nähe, und Kinross weckte ihn.
»Was wollen wir heute morgen essen?« fragte er. »Was meinst du zu Papayas?«
»Bacon und Eier«, gähnte der Mexikaner. »Laß uns einen Bacon-und-Eierbaum finden.«
»Mach keine Witze«, sagte Kinross. »Krüger mag das nicht.«
»Na, dann eben Papayas«, sagte Garcia. Er ging hinab zum Bach und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Dann gingen die beiden Männer das kleine Tal hinauf.
»Was meinst du mit ›heute morgen‹?« fragte Garcia plötzlich.
»Ich kann mich an keine Nacht erinnern.«
Die Nacht war pechschwarz. »Kinross«, rief Garcia aus der Finsternis.
»Ja?«
»Erinnerst du dich, wie es eben auf einmal ganz dunkel wurde?«
»Ja, aber es liegt schon eine ganze Weile zurück.«
»Ich wette, daß du dich am Morgen nicht mehr daran erinnerst.«
»Gibt es einen Morgen?« fragte Kinross. »Ich bin schon ewig wach.« Schlaf war eine Verteidigung.
»Wach auf, Kinross«, sagte Garcia und schüttelte ihn. »Es ist ein schöner Morgen, um Papayas zu pflücken.«
»Ist es ein Morgen?« fragte Kinross. »Ich kann mich an keine Nacht erinnern.«
»Wir müssen reden«, brummte der Mexikaner. »Es sei denn, wir singen vor uns hin wie Kerbeck oder stöhnen und weinen wie Silva dort drüben.«
»Silva? Ich dachte, das wäre der Wind.«
»Es gibt keinen Wind in dieser Welt, Kinross.«
Kinross biß in Papaya-Pulp. »Wie lange, meinst du, sind wir schon hier?« fragte Garcia.
»Schon eine ganze Weile.«
»Ich kann mich an keinen ganzen Tag erinnern. Silva erblindete. War das gestern? Kerbeck hörte auf zu sprechen und begann zu singen. War das gestern?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Mexikaner. »Es scheint als wäre alles gestern geschehen. Mein Bart ist gestern einen halben Inch gewachsen.«
Kinross rieb sich sein Kinn. Die braunen Barthaare waren lang genug, um flach anzuliegen, und schmiegsam.
Er ging allein spazieren, als ein Flüstern hinter seinem Kopf ertönte. »Kinross, hier ist Krüger. Komm und sprich mit mir.« Kinross wirbelte herum und blickte ins Nichts. »Wo?« flüsterte er.
»Geh einfach weiter«, lautete die Antwort, immer noch von hinten.
Kinross nahm das Ufer in Angriff. Er lief stetig bergauf, erinnerte sich vage an seinen letzten Versuch und schaute sich plötzlich um. Der Bach lag tief unten, verloren unter dem konvexen Ufer, das tatsächlich eine Talwand war. Meilenweit jenseits des Tals erhob sich eine andere Wand, wölbte sich als Gegenstück zu jenem Hang empor, den er eben erkletterte. Er kletterte verwundert weiter und erreichte eine Anhöhe, ähnlich einer Wasserscheide. Glatte, geschwungene Rundungen fielen gewaltig zu beiden Seiten in diesige Dunkelheit ab.
Er folgte der Anhöhe nach rechts. Auch hier dieselbe Bodenbeschaffenheit, fahles Gras und undeutliche Büsche und Bäume, matte Grüntöne, von denen sich nichts abzeichnete. Nach einer Weile erblickte er einen sanftgewölbten Hügel zu seiner Linken, aber das Flüstern führte ihn einen langen sanften Hang zu seiner Rechten hinab und dann einen kürzeren, steileren Hang zu einer Hochebene hinauf.
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