Damon Knights Collection 10
Kritiker, die sich zwischen den großen Blöcken bewegten und einander auf Einzelheiten aufmerksam machten, von denen sie glaubten, daß der andere sie bestimmt übersehen hatte.
„Ich gratuliere, Julia.“
„Was halten Sie davon?“
„Oh, nein. Ich warte, bis sich die echten Kritiker geäußert haben.“
„Wirklich, ich würde es gern wissen.“
Dr. Wymann warf wieder einen Blick auf den Steinkreis und zuckte mit den Schultern. „Ich bin ein Bauer. Ein Banause. Ich verstehe absolut nichts von Kunst. Ich mag Dinge wie die von Rodin. Dinge, die eindeutig sind. Ich glaube nicht, daß ich durchschaut habe, was Sie mit Ihrem Werk wollen.“
Julia nickte. „Eine ehrliche Antwort.“
„Ich bin als Kunstmuffel entlarvt.“
„Ganz und gar nicht, Dr. Wymann. Auch ich mag Rodin.“
„Eine Frage. Ich hörte natürlich mit, was die beiden sagten. Sind Sie nun die Optimistin, die diese Frau in Ihnen sieht, oder die Pessimistin, zu der Gregor Sie abstempeln möchte?“
Julia trank ihren letzten Champagner und sah das Glas an, nicht den Doktor. Sie seufzte, als es leer war. „Ich liebe Champagner.“ Dann lächelte sie ihm zu. „Die Steine werden Ihnen die Antwort geben. Aber Sie müssen sich schon darum bemühen. Ich verrate nichts.“
Er lachte, und sie trennten sich. Julia ging ins Haus, um nach dem Büffet und der Bar zu sehen. Sie sprach kurz mit Margie Mellon, die sich um das Essen und die Getränke kümmerte. Bis jetzt verlief alles glänzend. Eine gute Party. Eine erfolgreiche Enthüllung. Ein Blitzlicht flammte draußen auf, dann noch eines und noch eines.
„Liebling! Einfach toll, nicht wahr? Sie sind begeistert davon. Und von dir! Und von mir, weil ich dein Mann bin!“
Sie hatte Martie nie so gutgelaunt gesehen. Er zog sie eng an sich und küßte sie dann auf die Lider. „Liebling, ich bin so stolz auf dich, daß ich es kaum ertragen kann. Ich würde dich am liebsten auf der Stelle ins Schlafzimmer schleppen. So wirkt es auf mich.“
„Auf mich auch. Ich weiß.“
„Schicken wir sie alle früh heim …“
„Versuchen können wir es jedenfalls.“
Man rief sie für eine Aufnahme neben dem Kreis, und sie ließ ihn allein. Martie sah ihr nach. „Sie ist so begabt“, sagte eine Frau dicht neben seinem Ohr. Er drehte sich um. Sie war ihm nicht bekannt.
„Ich bin Esther Wymann“, sagte sie heiser. Sie war stark betrunken. „Fast beneide ich sie. Selbst wenn sie nur wenig Zeit hat. Um das Gefühl, derart talentiert zu sein, ein Genie, ein schöpferisches Genie. Ich glaube, es wäre wert, so etwas zu besitzen, selbst wenn man weiß, daß morgen alles vorbei ist. So etwas für kurze Zeit zu besitzen. So begabt und obendrein so hübsch.“
Sie trank ein Glas leer, das nach reinem Scotch roch. Mit der Zungenspitze leckte sie den Rand ab, dann wandte sie sich unsicher der Bar zu. „Sie auch, Herzchen? Kein Drink? Wo ist denn unser Gastgeber? Weshalb kümmert er sich nicht um Sie? Macht nichts. Esther wird das besorgen. Kommen Sie!“
Sie schwankte, als sie sich in Bewegung setzte, und er fing sie auf. „Danke. Wer sind Sie übrigens?“
„Der Gastgeber“, entgegnete er kühl. „Was meinten Sie mit dem Satz, daß sie so wenig Zeit hat? Was soll das bedeuten?“
Esther stieß seine Hand zurück. „Nichts. Hat gar nichts zu bedeuten.“ Sie entfernte sich torkelnd und rannte beinahe die drei Stufen hinunter, die sie in eine Gruppe von fröhlichen Gästen brachten. Martie sah, wie Wymann den Arm um sie legte und sie stützte. Sie sagte etwas zu ihm. Der Arzt schaute rasch auf und merkte, daß Martie sie beobachtete. Den Arm immer noch um seine Frau gelegt, drehte er sich um und steuerte zum Eßzimmer. Martie wollte ihm folgen, aber Boyle erschien im Eingang und winkte ihn nach draußen.
Der Doktor mußte warten, entschied Martie. Er konnte ohnehin kein Gespräch mit ihm anfangen, solange diese betrunkene Frau in der Nähe war. Er warf noch einen Blick zum Eßzimmereingang, dann folgte er Boyle nach draußen.
Ein paar Aufnahmen, sagte jemand. Er stellte sich neben Julia, nahm ihre Hand, und die Blitzlichter zuckten. Einer entkorkte in der Nähe eine neue Champagnerflasche, und sie zersprang mit einem Knall. Ein anderer begann hysterisch zu lachen. Er zog sich wieder vom Hauptgetümmel zurück und setzte sich abseits an einen kleinen Tisch, wo er auf Boyle wartete.
„Ich schätze, hier sind wir nicht weniger sicher als anderswo“, sagte Boyle. Er hatte seine Bierflasche mitgebracht.
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