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Damon Knights Collection 10

Damon Knights Collection 10

Titel: Damon Knights Collection 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Damon Knight
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Stein.
    „Man kann erkennen, daß eine Ordnung dahintersteckt“, sagte sie, „auch wenn man sie nicht ganz begreift. Ordnung, die etwas anderes überlagert …“
    Martie wußte nicht, wann sie zu reden aufhörte. Er wußte, seine Hand wußte, was sie meinte. Ordnung über etwas Wildem, Ungeordnetem, Unbegreiflichem. Etwas, das allmählich durchbrach, die Ordnung durch Unordnung besiegte, die Linien verzerrte. Der Eindruck war nicht visuell. Seine Hand schien die unterschwellig veränderliche Ordnung zu fühlen. Regen. Schnee. Wind. Die Unvollkommenheiten prägten sich stärker aus, ein absichtliches Zerstören der Ordnung, wodurch das Unerklärliche, beinahe Beängstigende im Innern freigelegt wurde. Alptraumhaft nun, veränderte es sich Schlag auf Schlag, immer rascher. Gröbere Wandlungen. Eine Nadel, zu abgeschliffen, um das eigene Gewicht zu tragen, stürzte um, schlug gegen eine kleinere Spitze, brach sie ab.
    Da lag sie nun, verwitterte zu Sand, wurde fortgeschwemmt von einem Strom rotgelben Wassers, ließ blanken Basalt zurück. Tiefere Rinnen schnitten in das Ding, halbierten es, teilten es in immer kleinere Stücke, jedes isoliert, jedes ein Opfer der Elemente, schneller, schneller. Darunter kam etwas Hartes und Glattes zum Vorschein, das gleiche Rot und Gelb, aber fest, nicht nachgiebig und porös. Größere Teile davon tauchten jetzt auf, eine Ecke, gradlinig, scharf, perfekt. Noch unergründlicher als der abbröckelnde Sandstein, unberührt von der Erosion.
    Aber auch das würde sich auflösen. Irgendwann. Langsam, unmerklich würde es nachgeben. Und dann blieb nur noch der Basalt, bis auch er, in ferner Zukunft, zerfiel.
    Martie öffnete die Augen mit dem Gefühl, lange so dagestanden zu haben. Julia beobachtete ihn lächelnd. Er blinzelte. „Es ist gut“, erklärte er. Das war zu wenig, aber im Moment konnte er nicht mehr sagen.
    Wymann zog seine Hand vom Stein weg und schob sie tief in die Tasche. „Warum etwas schaffen, von dem Sie jetzt schon wissen, daß es zerfallen wird? Ist das nicht wie eine Schneeplastik, nur langsamer?“
    „Genau. Aber wir haben die Möglichkeit, es zu betrachten, bevor es verschwunden ist. Und es zu fühlen.“ Sie wandte sich zum Gehen und wartete, bis die anderen ihr folgten. „Nächstes Jahr, wenn Sie es ansehen, wird es anders sein, ebenso wie in zehn, zwanzig Jahren. Jede Veränderung bedeutet etwas. Jede Veränderung verrät Ihnen etwas über Sie selbst und Ihre Welt, das Sie vorher noch nicht wußten.“ Sie lachte. „Zumindest hoffe ich das.“
    Sie schwiegen, während sie ins Haus zurückkehrten, an das flackernde Feuer. Martie richtete für Wymann und sich Drinks her, und Julia holte sich ein Glas Milch. Wymann kippte seinen Scotch in einem Zug. Er hatte den Mantel geöffnet, aber nicht ausgezogen. „Es birgt Tod“, sagte er plötzlich. „Tod und Moder und Verfall. All die Dinge, an denen unser Herz hängt, werden ausgelöscht.“
    „Es birgt Rätsel und Wunder und scheue Ehrfurcht“, entgegnete Martie. „Was bleibt, wenn man auch das vernichtet? Wird der Mensch dann wieder zum Tier, geschickt zwar mit seinen Händen und dem Werkzeug, das er gemacht hat, aber ein Tier, das keine Träume kennt? Innerlichkeit, das ist der Sinn der Skulptur. Habe ich recht, Julia? Die einzige Richtung, die zählt, führt nach innen.“
    „Es bedeutet nichts als sich selbst“, sagte sie beinahe hilflos. „Ich habe es zu erklären versucht, aber wenn ich es in Worte kleiden könnte, müßte ich es nicht gestalten. Innerlichkeit. Ja. Eine besondere Art zu betrachten, die Welt und mein Leben in dieser Welt zu empfinden. Wenn sie ihre Gültigkeit verliert, sollte das Werk verschwunden sein. Andere werden die Welt, ihr Leben, neu interpretieren. Immer neue Interpretationen, neue Betrachtungsweisen. Damit neue Empfindungen in das Unterbewußtsein strömen, in das größere Ding, das diese Eindrücke auffängt und ebenfalls lernt.“ Sie trank ihr Glas leer. „In spätestens einer Woche komme ich zu Ihnen, Doktor. Das ist ein Versprechen. Sie werden meinem Baby persönlich ans Licht helfen.“
     
    „Warum? Warum? Warum?“ Martie wanderte hin und her, sah zu, wie das Feuer niederbrannte, und nahm seine Wanderung erneut auf, obgleich es kalt und dunkel im Zimmer wurde. Schneeflocken fielen, weich und träge, und verwandelten den Hof in eine fremde Welt. Warum versprach sie, zu ihnen zu gehen? Warum zu Wymann? Welche Erkenntnis hatte er da draußen bei der Skulptur

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