Damon Knights Collection 5
ihm nie zuvor begegnet war. Er beendete die Aufzeichnung der Traumszenen, und erst dann streckte er sich und fühlte, wie jeder Muskel wieder protestierte.
Barfuß tappte er durch den Raum zum Badezimmer und duschte zehn Minuten lang heiß. Auch der folgende eiskalte Strahl schaffte es nicht, ihn munter zu machen, und er wußte, daß seine Leistungsfähigkeit nur 60 % des Normalen ausmachte, bevor er nicht seine Energiepillen genommen hatte. Er blickte geringschätzig auf das Fläschchen, schluckte aber doch zwei Pillen und sah sich erst dann ins Gesicht.
»Auf diese Art und Weise beginnen wir die meisten unserer Tage, alter Knabe«, sagte er zu dem Gesicht. »Schmerzen, Versuche, einen ins Bewußtsein zurückzubringen, dann die Aufputschpillen und eine Kanne Kaffee. Das tut nicht gut, alter Knabe. Du weißt, das tut nicht gut.«
Der alte Knabe im Spiegel antwortete nicht, und es tat ihm fast leid. An dem Tag, an dem das Spiegelbild antwortete, würde er aufgeben, einfach hinausgehen und nie mehr wiederkommen; und das wäre herrlich. Während er sich rasierte, wiederholte er zu sich selber, dabei jede einzelne Silbe betonend: »Das wäre herrlich!«
Im Büro begegnete er seiner Sekretärin, die ihm einen Notizzettel gab. Sitzung pünktlich um 9.00. Der Sekretär würde anwesend sein. Ende. Er zerknüllte das Papier und nickte Jeanne zu. Es war 8.45.
»Kaffee?« fragte er.
Das Mädchen nickte, als er durch die Tür zu seinem Arbeitszimmer ging, eine Zelle, drei auf drei. »Ich habe schon eine Tasse eingeschenkt, und es ist noch etwas in der Kanne«, sagte Jeanne. »Soll ich mit der Post beginnen?«
»Natürlich, Honey! Und, Jeanne, sortieren Sie es vor und legen mir das Wichtigste raus, ja?«
Sie lächelte verständnisvoll, und er machte sich über den Kaffee her. Er versuchte, nicht auf seinen Schreibtisch zu schauen, den Jeanne so weit wie möglich aufgeräumt hatte, der aber trotzdem noch überquoll von Plänen, Notizzetteln, Kritzeleien, Rechenschieber, Tabellen … Der Kaffee war höllisch heiß, stark und schwarz. Allmählich begann der Tag weniger gräßlich auszusehen. Als er zehn Minuten vor Konferenzbeginn das Büro verließ, hatte er sich bereits die dritte Tasse Kaffee einverleibt. Er grinste Jeanne an, sein Schritt war energiegeladen und seine Schultern gestrafft.
Fünfzehn Männer nahmen heute morgen an der Konferenz teil, alle sahen sie so mitgenommen aus wie Thornton oder noch schlimmer. Alle hatten einen 12-18-Stunden-Tag hinter sich, und das seit mittlerweile sieben Monaten, und kein Ende war in Sicht. Thornton hätte die gewerkschaftlich geschützten Monteure fast beneidet. Er nickte anderen zu, halblaute Grüße und eilige Gespräche im Telegrammstil, die hier üblich waren, erfüllten den Raum. Eine Bombe genau hier drauf, dachte er, und genau jetzt, puff – hin wäre das ganze Institut für angewandte Forschung.
Er bemerkte, daß der Sekretär bereits im Raum war, er stand, umgeben von mehreren Männern, am Fenster und sprach mit seiner halblauten monotonen Stimme zu Halvern, dem Direktor des Instituts. Die Glocke ertönte sanft, und Halvern ging auf den langen Tisch zu, ihm folgte der Sekretär, der noch immer redete wie ein Priester, der unverständliche Gebete murmelt.
Vorstellungen waren unnötig, da der Sekretär bereits früher dagewesen war. Thornton dachte an seine Bombe und vergrößerte sie ein wenig in Gedanken, noch nicht die Bombe, aber eine Spur größer als jene, die er sich vorher vorgestellt hatte. Wäre der Krieg damit beendet? Er wußte, daß dies nicht der Fall wäre, aber draußen wären einige, die ihn segnen würden. Er mußte bei diesem Gedanken grinsen, und für einen Moment war er besorgt, daß das Grinsen sein Mienenspiel erfaßt hätte. Aber er sah keine schiefen Blicke, er verdrängte bewußt diese Vorstellung und hörte aufmerksam zu, was der Sekretär zu sagen hatte.
»… absolut erforderlich, daß wir dieses letzte Problem lösen, bevor Absprachen getroffen werden. Wenn die Gespräche beginnen, sind wir in unseren Bewegungen auf dem Schlachtfeld eingeschränkt …«
Thornton fügte innerlich hinzu: »… und wir haben den Generalsekretär so lang als möglich hingehalten.«
»Natürlich versuchen wir Friedensgespräche so schnell wie möglich zustande zu bringen, jedenfalls dem Anschein nach, damit wir auf unsere Bemühungen hinweisen können. Aber es ist schwierig, mit einem Gegner zu verhandeln, der dermaßen fremdenfeindlich ist. Wie Sie
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