Danach
vorbei.
Mir blieb vor Schreck fast das Herz stehen. Der Mann sah aus wie Noah Philben! Aber das konnte nicht sein. Ich musste irgendwie näher an den Bus herankommen, und sei es nur, um mir selbst zu beweisen, dass ich mich geirrt hatte. Bestimmt hatte mir meine Phantasie vor lauter Panik einen Streich gespielt.
Ein paar Meter entfernt wuchsen dichte Büsche an einem Berghang. Von dort hatte ich bestimmt einen besseren Blick auf den weißen Bus und die beiden Männer. Mein Puls raste, aber ich musste einfach herausfinden, ob ich wirklich Noah Philben gesehen hatte.
Also holte ich tief Luft und sprach mir in Gedanken Mut zu. Du bist stark, du packst das, redete ich mir ein. Langsam ließ ich mich auf den Bauch nieder und kroch zu den Büschen hinüber.
Die Männerstimmen wurden lauter. Sie lachten über irgendetwas. Dann hörte ich, wie die Heckklappe des Busses aufging. Es folgten ein Rascheln und ein anschließender dumpfer Schlag, bevor die Bustür wieder zuging.
Inzwischen hatte ich das Gebüsch erreicht, das sich als undurchdringlich und dornig herausstellte. Ich versteckte mich zwischen zwei Büschen und spähte durch die Zweige. Von hier aus waren die Männer gut zu sehen. Der erste war durchschnittlich groß und stämmig und hatte rotblonde Haare und einen Ziegenbart. Der zweite war größer, er ging ohne Eile an der Seite des Wagens vorbei. Dann trat er lange genug ins Scheinwerferlicht, dass ich sein Gesicht sehen konnte. Kein Zweifel: Es war Noah Philben.
Mir wurde kalt. Was hatte ein »religiöser Führer« wie Philben mitten in der Nacht vor einem abgelegenen SM-Club zu suchen? Noch dazu dem Club, in dem Jack Derber früher regelmäßig verkehrt hatte. War Philben auf der Suche nach Sylvia, dem verirrten Schäfchen seiner Gemeinde? Was auch immer ihn hierhergebracht hatte, vielleicht war das der Hinweis, nach dem ich gesucht hatte.
Es war jetzt halb drei Uhr morgens. So lange war ich schon seit Jahren nicht mehr wach gewesen, und ich hatte das ungute Gefühl, dass diese Nacht noch längst nicht vorbei war.
Ich kroch zum Club zurück und schlich in entgegengesetzter Richtung um das Gebäude herum. Auf dem Parkplatz angekommen, rannte ich geduckt zu meinem Auto, um auf die Männer zu warten. So leise ich konnte, öffnete ich die Fahrertür und schlüpfte hinters Lenkrad. Obwohl sich meine Haut eiskalt anfühlte, schwitzte ich. Mein Mund war völlig ausgetrocknet. Das war mehr als nur Angst vor einer Autofahrt im Dunkeln, das war nackte Panik.
Endlich bog der weiße Bus um die Ecke und steuerte auf die Ausfahrt des Parkplatzes zu. Meine Hände auf dem Steuer fühlten sich wie Blei an.
In Gedanken war ich wieder in Gefangenschaft, wieder im Verlies. Ich wollte weitermachen, wollte dem Bus folgen, aber mein ganzer Körper hatte sich versteift, und mein Verstand weigerte sich zu funktionieren. Mir war, als hörte ich die sechzehnjährige Jennifer neben mir flüstern: Fahr ihnen nicht nach, geh nach Hause, zurück in deine Festung . Aber der Teil von mir, der begriffen hatte, dass diese Suche meine einzige Chance war, sagte mir, dass Jennifer nicht ahnen konnte, um wie viel es hier ging. Sie hätte nicht verstanden, wie viel davon abhing, dass ich sie jetzt fand. Wenn ich all das, was mir widerfahren war, endgültig hinter mir lassen wollte, dann mussten meine Erinnerungen ruhen, und ich durfte nicht auf ihre Stimme hören. Ich riss mich zusammen, holte tief Luft und ließ den Motor an.
Während ich zögernd mit laufendem Motor dasaß, verließen zwei ganz in Latex gekleidete Männer den Club. Der eine folgte seinem »Herrn« brav an der Leine. Ich wartete, bis sie ins Auto gestiegen waren – der Herr saß natürlich am Steuer, während der unterwürfige Part der Beziehung auf dem Rücksitz Platz nahm –, und lenkte meinen Mietwagen dann vorsichtig hinter sie. Als wir auf die Straße abbogen, war der Bus immer noch vor uns. Mit vier Autolängen Sicherheitsabstand folgte ich den beiden Wagen.
Immer schön ein Schritt nach dem anderen. Es besteht kein Grund zur Panik, redete ich mir ein. Noch tue ich nichts anderes, als eine öffentliche Straße entlangzufahren. Die Türen sind von innen verriegelt, mein Tank ist zu drei Vierteln voll, in meiner Handtasche sind Tränengas und Pfefferspray. Ich kann jederzeit umkehren und zurück ins Hotel fahren. Ich habe alles unter Kontrolle.
Nach ungefähr fünfzehn Kilometern bog das andere Auto ab, aber ich ließ einen hinter mir fahrenden Geländewagen vorbei,
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