Danach
heranfahren sehen, woraufhin dort hinter dem Club eine Art … Transaktion stattzufinden schien. Und einer der beiden involvierten Männer war Noah Philben.«
»Sarah, es ist nicht verboten, SM-Etablissements zu besuchen. Ich denke, wenn die Geschichte eines gezeigt hat, dann, dass religiöse Führer bisweilen zu seltsamen sexuellen Vorlieben neigen. Ein genretypisches Phänomen, wie Tracy sagen würde.« Er lachte über seinen eigenen Witz.
»Tracy? Hat sie mit Ihnen über die Sache gesprochen?«
»Sie hat mich gestern angerufen, weil sie der Meinung ist, dass Sie zu weit gehen. Angeblich glauben Sie, dass Sie Jennifers Leiche finden können, stimmt das?«
»Ich will nicht, dass Sie mit ihr über mich sprechen. Sie hasst mich und versucht Ihnen einzureden, dass ich verrückt bin, aber das stimmt nicht. Na gut, ein bisschen schon, aber nicht, was diese Sache angeht. Da gehe ich rein methodisch vor.«
»Das wundert mich nicht, Sarah. Das tun Sie immer. Aber denken Sie bitte daran, dass Sie keine Detektivin sind, ja? Ich weiß, dass Sie unsere Ermittlungen von damals für nicht weitreichend genug halten, aber wir haben wirklich jede Person befragt, die auch nur im Entferntesten mit Jack Derber zu tun hatte, und …«
»Auch Piker und Raven?«
»Wen?«
»Ihre echten Namen kenne ich nicht, aber das ist ein Paar, das ebenfalls den Club besucht. Waren Sie damals überhaupt in der Gruft ?«
»In welcher Gruft ?«
»Sehen Sie, Sie waren nicht da. Dieser SM-Club heißt Gruft und hat mir eine ganz neue Sicht auf Jack Derber eröffnet. Ich finde, man müsste dieser Spur genauer nachgehen. Und könnten Sie auch noch einmal Noah Philben überprüfen?«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen. Dann sagte Jim schließlich: »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Es klang, als würde er es auch so meinen.
Das ließ mich mutig werden, und ich beschloss, noch einen Schritt weiterzugehen. »Außerdem ist Sylvia verschwunden.«
»Davon hat mir Tracy schon erzählt. Aber ein voller Briefkasten ist noch nicht Beweis genug für eine Vermisstenanzeige. Wenn Sie mich fragen, ist sie wahrscheinlich nur auf Reisen. Genau wie Sie.«
»Dann bleibe ich einfach hier in Oregon und warte, bis sie wieder auftaucht«, konterte ich.
»Sarah, lassen Sie mich ganz ehrlich zu Ihnen sein. Diese Suchaktion, die Sie da gestartet haben, macht mir genauso viel Angst wie Ihre Reaktion auf seinen letzten Brief. Ich will nicht, dass Sie sich körperlichen oder seelischen Gefahren aussetzen. Dass Sie in Oregon sind, wusste ich zwar schon von Tracy, aber keiner von uns hat erwartet, dass Sie so weit gehen würden. Was Sie da tun, ist gefährlich. Bitte kommen Sie zurück. Hier sind Sie in Sicherheit.«
Das klang nach einem klugen Rat. Aber es hätte bedeutet, dass ich mir eine Niederlage eingestehen und mein Vorhaben ein für alle Mal hätte aufgeben müssen.
18
Nach dem Telefonat mit Jim machte sich Mutlosigkeit in mir breit. Vielleicht hatte er ja recht, und Sylvia besuchte gerade ihre Eltern. Noah Philben betrieb vermutlich tatsächlich Steuerhinterziehung und war gleichzeitig in einen Sexskandal verwickelt, aber das half mir bei meiner Suche nach Jennifers Leiche kein Stück weiter. Vielleicht vergeudete ich hier nur meine Zeit. Zeit, die ich besser darauf verwendet hätte, mich auf meine Aussage vor dem Bewährungsausschuss vorzubereiten.
Ich warf einen Blick auf mein Flugticket. Möglicherweise war es am besten, einfach abzuhauen und die Vergangenheit ein für alle Mal ruhen zu lassen. Aber mein Flug ging erst am folgenden Abend, also konnte ich bis dahin genauso gut weitermachen. Wenn sich allerdings bis zu meinem Abflug nichts Konkretes ergab, war es wohl an der Zeit, die Segel zu streichen.
Früh am nächsten Morgen brach ich zum Uni-Campus auf, um Adele einen Besuch abzustatten. An ihrer Bürotür hing die Nachricht, dass sie in der Bibliothek sei. Ich fand sie schließlich zwischen den hintersten Regalen im dritten Stock, wo sie an einem großen Holztisch saß. Die Decke war hoch, und in der Luft hing der Staub von unzähligen Büchern. Bibliotheken machten mich noch immer nervös.
Adele war von Bücherstapeln und Papieren umgeben und tippte wie wild auf ihren Laptop ein. So vertieft war sie in ihre Arbeit, dass sie auch dann noch nicht aufblickte, als ich direkt neben ihr stand. Erst als ich ihren Namen flüsterte, zuckte sie zusammen und klappte hastig ihren Computer zu, woraufhin einige lose, mit Notizen vollgeschriebene
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