Danach
Seitenstraße gefunden habe. Tracy hatte mir am Morgen von der Lagerhalle erzählt, also habe ich einfach eins und eins zusammengezählt. Ich bin dann die Seitenstraße entlanggefahren – auf keinen Fall wollte ich aussteigen und zu Fuß weitergehen – und als ich oben auf dem Hügel ankam, sah ich die Rücklichter eines Wagens vor mir.
Ich habe Angst bekommen und habe den Motor und das Licht ausgestellt. Und einen Moment später sah ich dann, wie die Männer euch hinten in den Bus warfen. Da bin ich in Panik geraten und habe sofort Jim angerufen. Er wollte, dass ich zurück zum Hotel fahre, und sagte, dass er sich um alles kümmern werde. Aber wie hätte er euch in diesem Bus auf irgendeiner abgelegenen Straße mitten im Nirgendwo finden sollen? Und ich hatte die schreckliche Vermutung, dass die Männer keine Zeit verlieren würden, euch zu töten. Es war also keine Zeit.
Jim war nicht begeistert, blieb aber am Telefon, während ich euch in sicherem Abstand hinterherfuhr. Er meinte, dass er mich über mein Handy orten könne, aber dass er nur ungefähre Koordinaten meiner Position erhalten würde. Doch dann hatte ich eine geniale Idee.«
Lächelnd hielt sie ihr Telefon in die Höhe. »Die Tracking-App auf meinem iPhone, die ich für meinen Babysitter benutze.«
Sie sah, dass ich nicht verstand, was sie meinte.
»Mit dieser App«, erklärte sie mir, »kann man anderen seine GPS-Koordinaten mitteilen, und zwar in Echtzeit. Jim hat die App heruntergeladen und konnte so meine genaue Position ausfindig machen, während ich weiter dem Kleinbus folgte.«
Ich nickte anerkennend, natürlich hatte Christine die neueste Technik.
»Aber warum hast du uns dann aus dem Bus befreit, Christine?«, wollte Tracy wissen.
»Als ihr bei der Farm ankamt, sind die Männer ins Haus gegangen. Sie hatten den Bus hinter der Scheune versteckt, also habe ich beschlossen, dass ich zu euch gehen konnte, ohne gesehen zu werden. Jim war noch einige Minuten entfernt, und das Letzte, was ich wollte, war, dass diese Idioten zurückkamen und euch umbrachten, bevor Jim da war. Also musste ich handeln. Als die Hecktüren sich nicht öffnen ließen, bin ich an der Fahrerseite eingestiegen. Zuerst habe ich nicht verstanden, wie die Schlösser funktionieren. Das Ding ist nicht grade ein Lexus.«
Tracy rollte mit den Augen, aber Christine lächelte sie nur an.
»Doch dann habe ich einen Hebel gefunden und ich hörte, wie das Schloss am Heck aufsprang.«
»O Gott, Christine, ich kann nicht glauben, dass du das gemacht hast. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.«
Sie strahlte. Wenn ich daran zurückdachte, wie sie im Keller war, hätte ich nie erwartet, dass sie zu so einer Rettungsaktion fähig war. Aber vielleicht war es wahr, was sie Jim erzählt hatte – vielleicht war sie wirklich über die schrecklichen Erlebnisse im Keller hinweg. Was, wenn unsere furchtbare Vergangenheit sie stärker gemacht hatte? Ich beneidete sie.
Jim suchte quer durch den Raum meinen Blick, und ich winkte ihn zu uns herüber. Zuerst trat er zu Christine.
»Sie sind sich darüber im Klaren, wie gefährlich das war, oder? Ist Ihnen bewusst, was Ihnen hätte passieren können?« Er klang aufrichtig besorgt.
Sie antwortete ihm ruhig, in ihrer präzisen Upper-East-Side-Art. »Ja, ich weiß ganz genau, was alles hätte passieren können. Deshalb handle ich lieber, als abzuwarten, bis das Schlimmste eintritt.«
Jim nickte langsam, während sie sprach, dann wandte er sich an mich. Er gab mir mein Handy zurück, das offenbar bei der Durchsuchung der Lagerhalle sichergestellt worden war.
»Das müssen Sie verloren haben.« Er lächelte sanft. »Wie fühlen Sie sich, Sarah?«
»Ich werde es überleben. Mal wieder«, antwortete ich und erwiderte sein Lächeln. »Haben Sie ihn erwischt?«
Für einen flüchtigen Moment wirkte er verlegen, aber dann hatte er sich wieder unter Kontrolle und sagte mit professioneller Sachlichkeit: »Nein, noch nicht. Aber wir überwachen sein Grundstück und seine Gemeinderäume in Keeler.«
Er trat noch näher heran und sah mich ernst an. »Sarah, es tut mir leid, dass ich Ihre Hinweise anfangs nicht ernst genug genommen habe. Aber ich habe trotzdem meine Hausaufgaben gemacht und nach unserem Gespräch ein paar Nachforschungen angestellt. Wir haben die Gruft unter die Lupe genommen und festgestellt, dass die Besitzverhältnisse ziemlich verworren sind: Strohfirmen, die wiederum von anderen Strohfirmen gesteuert werden, und so weiter.
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