Dance of Shadows
hingekritzelt. Vanessa war zu sehr damit beschäftigt, nach Zeps Akte zu suchen, als dass sie sich dafür interessiert hätte.
Die Akte zu Zep fehlte jedoch, ebenso wie die von Vanessa.
»Schau dir das mal an.« Steffie hielt die älteste Akte hoch, die sich auf eins der vermissten Mädchen bezog. Sie deutete auf die letzte Seite, und dort hieß es, dass das Mädchen für den Solopart im
Danse du Feu
ausgewählt worden war. Neben dieser Notiz war in winziger Schrift eine Abfolge von Zahlen notiert.
»Was bedeutet das?«, fragte Vanessa.
»Es ist eine Nummer der Dewey-Dezimalklassifikation«, sagte Steffie, »aus der Bibliothek.«
Sie schauten durch die verschlossene Gittertür, die zu Josefs Privatbibliothek führte. Drinnen konnten sie Dutzende verstaubter, alter,in Leder gebundener Bücher erkennen. Ohne ein Wort zu sagen standen sie auf und fingen an zu suchen. Sie wühlten sich durch Josefs Regalbretter und Schubladen, suchten unter Papieren und klebrigen Brocken Kolophonium. Aber den Schlüssel zur Gittertür konnten sie nirgends finden.
»Vielleicht hat er ihn immer bei sich«, vermutete Vanessa.
Aber Steffie wollte noch nicht aufgeben. »Was sollte das für einen Sinn haben?«, sagte sie. »Er benutzt ihn doch nur hier.«
Um Leute wie uns fernzuhalten, dachte Vanessa. Steffie trat vor den Schrank mit den Trophäen. Im Mittelpunkt stand die größte und auffälligste in Form eines bronzenen Spitzenschuhs. Steffie streckte die Hand danach aus und drehte den Schuh um – und heraus fiel ein Schlüssel. Sie schnappte ihn sich und trat vor die Gittertür.
Sie ließ sich geräuschlos aufschließen. Der Steinboden drinnen war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Auf den Wandleuchtern steckten Kerzen, aber sie wagten es nicht, sie anzuzünden. Der Geruch hätte nach draußen dringen und sie verraten können. Stattdessen leuchteten sie mit den Displays ihrer Handys und suchten damit die Regalbretter ab, auf denen Hunderte alter Bücher über Tanz, Choreografie, Theatergeschichte und die Anatomie des Bewegungsapparats standen. Steffie blieb gelegentlich stehen und kontrollierte die Nummer auf den Buchrücken.
»Hier entlang«, flüsterte sie und führte Vanessa weiter in die Bibliothek hinein.
Steffie bückte sich und verschwand in der Dunkelheit. Als sie wieder auftauchte, hielt sie ein schweres Buch mit dunkelrotem Ledereinband in den Händen. Sie wischte den Staub vom Einband, aber es stand kein Titel darauf.
Die Buchseiten waren vergilbt und brüchig, die Ecken mit fettigen Fingerabdrücken beschmiert, als ob sie Dutzende von Malen gelesenworden wären. »Hier steht gar nichts.« Steffie blätterte eine Seite nach der anderen um. Und jede Seite war leer: nicht ein einziges Wort, kein Bild, kein einziger Tropfen Tinte.
Sie blätterten bis zur letzten Seite, und auch die war ärgerlicherweise völlig leer, als sie plötzlich ein Geräusch vorne aus Josefs Büro hörten. Vanessa gab Steffie ein Zeichen, ganz leise zu sein. Sie steckten ihre Handys ein und hörten, wie die Tür zum Büro aufging. Vanessa fühlte ihr Herz in der Brust hämmern.
Josef?
, formte Steffie lautlos mit den Lippen.
Vanessa wartete nicht ab, um das herauszufinden. Sie nahm das Buch und schob es an seinen Platz zurück.
Hier lang
, signalisierte sie Steffie und zog sie hinter ein niedriges Regal im rückwärtigen Teil der Bibliothek.
Aus dem Büro vorne hörten sie Schritte. Sie waren langsam, klangen leicht und kamen direkt auf sie zu.
Dann hörten sie, wie die Gittertür zur Bibliothek aufging.
Die Schritte hielten an, und Vanessa schloss die Augen, als ihr aufging, dass sie die Tür nicht wieder verschlossen hatten. Josef wusste also genau, dass jemand da gewesen war. Aber jetzt konnten sie nichts weiter tun, außer zu warten. Vanessa drückte sich an Steffie und spürte ihre warme, schweißfeuchte Haut neben sich, die leicht nach Vanille roch.
Die Schritte kamen weiter in die Bibliothek hinein und klackten auf den Steinfliesen.
Vanessa hielt den Atem an, als die Person auf sie zukam und dann plötzlich seitlich abbog. Als die Gestalt sich wegbewegte, glitt Vanessas Blick an einem männlichen Bein hinauf, an einer Hüfte und einem Hemd mit Kragen. Die Kleidung sah nicht so aus wie Josefs. Sie wirkte zu jung und zu adrett, und die Schritte waren absichtlich leise, als wüsste derjenige, wer immer es sein mochte, dass er ebenfalls nicht hier drin sein durfte.
Er suchte die Regale ab und bewegte sich rasch, bis er zu
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