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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yelena Black
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schlenderten. »Ihr Bruder heißt Nicholas.«
    »Aber die kann doch keine Balletttänzerin sein«, sagte Vanessa und versuchte, sich das große Mädchen bei einem
entrelacé
vorzustellen. »Sie ist so   … riesig.«
    Steffie drückte ihre Bücher an die Brust. »Sie sollen ziemlich gut sein, aber einige Hohlköpfe nennen sie die
Fett
-telli-Zwillinge.«
    »Das ist nicht lustig, sondern echt gemein«, sagte Vanessa.
    »Trotzdem, den Spitznamen haben sie nun mal.« Vanessas Gedanken kehrten zu ihrer Schwester zurück. Konnte Justin vielleicht doch recht gehabt haben mit dem, was er über Margaret gesagt hatte? War sie etwa weggelaufen – nicht weil sie ihrer Welt entfliehen wollte
,
sondern weil sie bereits in einer anderen Welt gewesen war?
    »Vanessa?« Steffie riss sie aus ihren Grübeleien. »Woran denkst du gerade?«
    »Ach, nicht wichtig.« Vanessa folgte ihr zum Ballettsaal am Ende des Korridors. Der Raum war hell, hatte einen Parkettboden und verspiegelte Wände, die ihn viel größer aussehen ließen, als er in Wirklichkeit war. Die meisten Schüler der unteren beiden Jahrgänge standen in ihrer normalen Kleidung für das Stangentraining bereit: Die Mädchen trugen schwarze Trikots und rosa Strumpfhosen, und die Jungs weiße Shirts und schwarze Strumpfhosen. Vanessa wollte sich gerade dazustellen, als sie Justin bemerkte, der sich abseits von den anderen aufwärmte.
    Sie musste ihn angestarrt haben, denn plötzlich trafen sich ihre Blicke. Rasch sah sie in eine andere Richtung und reihte sich neben Steffie, TJ und Blaine ein. Doch es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren.
    »Hier an der New Yorker Ballettakademie üben wir eine Reihesehr alter Schrittfolgen«, sagte Hilda zu Beginn der Stunde. »Denn die Menschen haben seit Urzeiten Tänze aufgeführt. Um die Götter anzurufen und um böse Geister zu besänftigen, man hat um Wasser gebeten, um Wohlstand, Kindersegen, Glück.«
    Sie ging vor ihnen im Saal auf und ab und zog dabei ein Bein ganz leicht nach. »Doch zunächst wärmen wir uns auf. Das Spitzentanztraining beginnt morgen.«
    Auf Hildas Kommando stellten sich die Schüler an der Ballettstange auf und absolvierten die Grundschritte, die Vanessa so vertraut waren, dass sich ihre Beine beinahe reflexartig bewegten.
    »Plié!«
    »Tendu!«
    »Dégagé!«
    »Grand battement!«
    Hilda beobachtete die Schüler genau, und das leicht arrhythmische Geräusch ihres Hinkens gab ihnen den Takt vor.
    Vanessa sah Justins Hinterkopf vor sich auf und ab wippen, sein sandfarbenes Haar klebte schweißnass an seinem Nacken. Seine Kondition war ziemlich gut, dachte sie. Warum übte er überhaupt mit den unteren Jahrgängen zusammen, wenn er doch zur Abschlussklasse gehörte? Vielleicht war er gar nicht in Margarets Jahrgang gewesen. Vielleicht hatte er ihr einfach nur was vorgelogen.
    Am späten Nachmittag war der Regen schwächer geworden, und der Himmel war ein wogendes Meer von Grau. Steffie holte Vanessa ein, als sie zum Ausgang ging. »Das war ganz schön heftig«, sagte sie und zog sich einen Oversize-Pullover über.
    »Allerdings«, erwiderte Vanessa. »Hilda ist wohl doch nicht so zaghaft, wie es den Anschein hat.«
    »Ich meinte
dich.
Du hast die ganze Zeit nur vor dich hin gestarrt. Wie schaffst du es dabei bloß, das Gleichgewicht zu halten?«
    »Oh«, sagte Vanessa. »Ich war einfach   … in Gedanken versunken.«
    »Muss ja ein ziemlich packender Tagtraum gewesen sein«, meinte Steffie. »Schaust du dir die Probe mit Josef an?«
    Vanessa wollte gerade antworten, als Justin an ihnen vorbeieilte und dabei Vanessas Arm streifte.
    »Pardon.« Ihre Blicke trafen sich einen Moment, dann rannte er mit gesenktem Kopf, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hoch. Er würde richtig gut aussehen, das musste sie zugeben – wenn er nicht diesen arroganten Gesichtsausdruck hätte, den er offenbar nicht ablegen konnte.
    Steffie packte Vanessa am Ellbogen. »Was war denn das? Er hat dich angesehen, als wollte er dich kaltmachen. Oder dich gegen die Wand drücken und über dich herfallen.« Sie dachte kurz nach. »Oder beides.«
    Vanessa blieb im Treppenhaus stehen, denn der Duft seines Parfums hing immer noch in der Luft. »Justin hat gesagt, er kannte meine Schwester. Anscheinend waren sie im selben Jahrgang.«
    »Und warum ist er dann in unserem Vormittagsunterricht?«, fragte Steffie.
    »Das weiß ich auch nicht«, murmelte Vanessa. »Vielleicht hat er gelogen, und er ist gar nicht im Abschlussjahrgang. Aber ich

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