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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yelena Black
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unterbrach sie. »Sei still. Eine Tänzerin muss lernen, ihren Körper
und
ihren Geist zu kontrollieren.«
    Nach dieser Logik dürften sich die anderen Tänzer dann aber eigentlich auch nicht davon ablenken lassen, wenn jemand redete, dachte Vanessa.
    Elly nickte mit gesenktem Blick. Vanessa beugte sich zu ihr hinüber und drückte ihre Schulter.
    »Zur Strafe wirst du am Freitag nicht mit in die Vorstellung im Lincoln Center gehen, und du hast bis auf Weiteres Ausgehverbot. Ich erwarte dich später in meinem Büro.«
    Elly sah ihn entsetzt an.
    »Hast du verstanden?«, fragte Josef scharf.
    Elly hob den Blick. »Ja.«
    Josef drehte sich um, die Hände zu Fäusten geballt.
»Encore«
, schrie er die Tänzer an. »Noch mal von vorn.«
    Vanessa sah ihm zu, wie er zur linken Seite des Saals ging, wo er mit verschränkten Armen und wutverzerrtem Gesicht stehen blieb. Er sah nun ganz anders aus als jener charmante Rebell der Tanzkunst, der bei der Einführungsveranstaltung zu ihnen gesprochen hatte. Vanessa verstand nicht mehr, wie sie ihn auch nur ansatzweise attraktiv hatte finden können. Sie sah jetzt nur noch einen unwirschen Mann,der halb im Schatten stand und dem die Gerüchte über seine mysteriöse Vergangenheit noch immer anzuhaften schienen.
    Josef ließ die Tänzer nicht aus den Augen, während sie ihre Schrittfolgen absolvierten, und Vanessa bemerkte bald, dass er ihrer Darbietung gar nicht folgte; er starrte sie nur wütend an.
    In diesem Augenblick wurde Vanessa klar, dass Josef selbst immer noch sehr gerne tanzen würde. Er war zwar älter als ein durchschnittlicher Balletttänzer, aber gut in Form und noch jung genug, um aufzutreten. Warum tat er das nicht mehr? Warum schien er seine Schüler mit abgrundtiefer Missgunst zu betrachten, anstatt sie zu ermutigen? Was konnte er Schreckliches getan haben, dass er selbst nie wieder vor einem Publikum tanzen konnte?

Kapitel fünf
    Jeder Morgen begann mit dem Hineinzwängen ins Trikot, dem gleichmäßigen Überstreifen der Tanzstrumpfhosen und dem Rauschen des Wasserhahns, der warmes Wasser ins Waschbecken spritzte. Ein Strohhalm wurde ausgepackt und eine Dose Diät-Cola mit einem Zischen geöffnet. Überall lagen Haarklammern herum. Türen gingen knarrend auf und zu, und auf dem Korridor hörte man eilige Schritte. Das Frühstück war eine hastige Angelegenheit, und die meisten Mädchen ließen es ausfallen.
    Die Umkleide der Mädchen lag in der Nähe des Übungsraums und war von Talkumpuder eingestaubt. Die Mädchen saßen auf den Bänken und klopften und kneteten ihre Ballettschläppchen weich. Einzelne Bänder lagen zusammengerollt auf dem Boden wie Blumenknospen.
    Die morgendlichen Geräusche waren wie ein vertrautes Lied. Vanessa war jetzt seit einer Woche in der Schule und kannte mittlerweile alle Gesichter und auch die meisten Namen. Eine Reihe Mädchen   – Jessica, Isabelle, Tabitha – standen mit rosafarbenen Strumpfhosen und Stulpen vor den Waschbecken, kniffen sich in die Wangen und puderten sich die Gesichter.
    »Entschuldigung«, sagte Vanessa, und sie wichen zur Seite und machten ihr Platz.
    Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht, rieb sich die Wangen und nahm fünf Haarklammern in den Mund. Sie zwirbelte ihre lange rote Mähne, bis sie flach am Kopf anlag und steckte sie mit den Klammernfest. Dann drehte sie den Kopf nach rechts und links, um sicherzugehen, dass das Haar auch wirklich fest saß. Mit feuchten Fingern wischte sie sich die Strähnen aus dem Gesicht.
    Ihre Freunde saßen auf einer langen Holzbank an der Wand des Umkleideraums und arbeiteten sich in ihre Spitzenschuhe. Vanessa ließ ihre Tasche fallen und setzte sich auf den Boden neben Steffie, deren schwarze Haare zu einem makellosen Chignon zusammengesteckt waren.
    »Es klingt so, als wäre es ein Unfall gewesen«, sagte sie zu den Mädchen, während sie eine Mullbinde auspackte. »Er hatte in Paris ein Verhältnis mit der Primaballerina, aber sie haben sich die ganze Zeit gestritten. Offenbar ist er wirklich ein schwieriger Zeitgenosse.«
    Seit ihrer Maßregelung durch Josef war Elly nachdenklich, fast zerstreut gewesen. Sie hatte gesagt, dass Josef sie getadelt hatte, weil sie ihre Gefühle weder im Ballettsaal noch außerhalb im Griff habe. Wenn sie als Tänzerin Erfolg haben wolle, hatte er gesagt, müsse sie lernen, sich ruhig zu verhalten.
    Angesichts dieser Warnung weigerte sich Elly, weitere Einzelheiten preiszugeben.
    Nach Josefs Ausbruch während der Probe waren Vanessa

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