Dance of Shadows
eleganten schwarzen Anzug und eine Krawatte, und unter dem engen Jackett sah man, wie sich seine Brust hob und senkte, als würde sie gleich den Stoff sprengen. Sein Haar war mit Gel zurückgekämmt, was ihn unglaublich attraktiv und gepflegt aussehen ließ. Er erinnerte ein bisschen an den jungen Fred Astaire, der gleich mit Ginger Rogers über die Tanzfläche wirbeln würde. Allerdings hatte Zep deutlich mehr Sex-Appeal. Vanessa schämte sich fast ein bisschen, dass sie so fasziniert von Zeps Aussehen war. Dabei kannte sie ihn ja noch nicht einmal! Eigentlich flog sie sonst gar nicht so auf gutes Aussehen – Persönlichkeit und Humor spielten für sie eine viel größere Rolle. Doch Zep war verdammt gut aussehend, das ließ sich nicht leugnen, und als sie Blaine von seinem Date erzählen hörte, fragte sie sich insgeheim, wie es wohl wäre, Zep bei einem schönen Abendessen bei Kerzenschein gegenüberzusitzen und einander besser kennenzulernen.
Vanessa kniff die Augen zusammen und beobachtete ihn aufmerksam. Die eine Hand hatte er in die Hosentasche geschoben, in der anderen hielt er die Eintrittskarte, die zwischen seinen Fingern winzig aussah. Anna Franko hatte sich bei ihm eingehängt, aber sein Blick war auf Vanessa gerichtet.
Sie spürte, dass er ihr Gesicht eingehend studierte und dass sein Blick weiter über ihren Hals und ihre Schultern wanderte. Sie errötete, schaffte es aber aus irgendeinem Grund nicht, den Blick von ihm abzuwenden. Die Entfernung zwischen ihnen schien auf ein Nichtszusammenzuschrumpfen. Es spielte keine Rolle mehr, dass sie sich noch nie getroffen hatten oder dass Anna Franko neben ihm stand und sich ihre Augen misstrauisch verengten, als sie von Zep zu Vanessa hinüberblickte. Für Vanessa fühlte es sich so an, als seien sie und Zep schon ganz vertraut miteinander, als hätten sie sich in einem früheren Leben bereits gekannt, vielleicht sogar geliebt.
Vanessa erschauerte, als die Kakophonie des Orchesters ihren Höhepunkt erreichte und dann abrupt endete. Zep schenkte ihr die Andeutung eines Lächelns.
Vanessa senkte von plötzlicher Panik erfasst den Blick, drehte sich um und folgte Steffie die Sitzreihe entlang zu ihrem Platz. Vanessa kam das Ganze auf einmal lächerlich vor. Zep stand nicht auf sie. Er hatte eine Freundin.
Ihre Plätze lagen fast in der Mitte der Reihe, und neben ihnen saßen einige Mädchen aus ihrer Klasse. Die roten Polstersitze fühlten sich durch den dünnen Stoff ihres Kleides herrlich bequem an.
»Es ist wirklich traurig, dass Elly nicht dabei sein kann«, sagte TJ und ließ den Blick über das festlich gekleidete Publikum schweifen. »Sie hätte diese tollen Roben sicher sehr bewundert. Sieh mal dort.« Sie deutete auf einen Mann im Smoking und dessen Begleiterin, die ein seidenes Abendkleid trug. »Hier sind alle ganz nach ihrem Geschmack angezogen.«
»Vielleicht erlaubt ihr Josef, das nächste Mal mitzukommen«, sagte Vanessa. Sie strich sich das Kleid glatt und vermied es ganz bewusst, dorthin zu schauen, wo Zep gerade noch gestanden hatte, da hörte sie plötzlich eine tiefe Stimme rechts von sich raunen: »Entschuldigen Sie bitte.«
Die Leute am Ende ihrer Reihe standen für Zep und Anna auf, die sich hindurchschoben. Vanessa schluckte und blickte starr geradeaus; dennoch nahm sie aus dem Augenwinkel wahr, dass die beiden links neben Steffie Platz nahmen, nur zwei Sitze von Vanessa entfernt.
Langsam wurden die Lampen gedimmt. Der Klang einer einzelnen Violine verhallte, und im Theatersaal stieg die Spannung. Als der Dirigent zum Podium schritt, applaudierte das Publikum. Aus dem Augenwinkel sah Vanessa, dass Zep verstohlen zu ihr hinüberblickte. Unbeeindruckt davon lächelte sie, als der Vorhang aufging.
Die Tänzer fegten in einem Wirbel aus Tüll, Satin und Schleifen über die Bühne und bewegten sich schneller und leichter als normale irdische Wesen. Vanessa wusste nicht, wie lange es dauerte, sie wusste nur, dass es zu kurz war. Das Ballett hatte etwas ganz Außergewöhnliches an sich. Vanessa war sich nicht sicher, ob sie wirklich Tänzerin werden wollte, und sie konnte sich auch nicht vorstellen, wie ihr Leben ohne Ballett aussehen sollte – doch es berührte sie zutiefst, wie diese Tänzer eine Geschichte mit solcher Gefühlsintensität und Eleganz zu so ergreifender Musik darboten.
Wenn Vanessa tanzte, dachte sie nicht an ihre vermisste Schwester oder an die erdrückende Fürsorglichkeit ihrer Mutter. Man führte die
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