Dance of Shadows
voneinander getrennt sein. Du sollst dein Leben tanzen!«
»In Ordnung«, sagte Vanessa. »Ich werde mein Bestes tun.«
»Gut«, sagte er, als sie aufstand. »Ich freue mich darauf, das zu sehen.«
Nachdem die Tür hinter ihr zugefallen war, rannte Vanessa denKorridor hinunter. Sie konnte ihre Aufregung nicht länger zurückhalten, und ein lautes, jubelndes »Ja!« brach aus ihr heraus.
»Pssst!«, schimpfte eine Sekretärin, die gerade mit einem Stapel Akten an ihr vorüberging. Aber das kümmerte Vanessa nicht. Sie rannte die Treppe hoch und stellte sich die Gesichter ihrer Freunde vor, wenn sie ihnen erzählte, was geschehen war.
Auf halbem Wege blieb sie jedoch stehen. Sie hatte das Gefühl, dass ihr irgendetwas fehlte. Hastig sah sie in ihrer Tasche nach, aber ihr Geldbeutel und der Schülerausweis waren darin. Dann fiel ihr ein, was es war.
Ihr Handy. Sie hatte es in der Hand gehalten, als sie Josefs Büro betreten hatte. Wahrscheinlich hatte sie es auf dem Schreibtisch abgelegt, als sie das Kolophonium in die Hand genommen hatte. Sie ging die Treppe wieder hinunter und wollte gerade an Josefs Tür klopfen, als sie von drinnen gedämpfte Stimmen vernahm. Sie trat näher und hielt das Ohr an die Tür.
»Und was ist mit Vanessa?«, fragte eine Frauenstimme, und Vanessa erkannte Hilda.
»Sie tanzt nicht perfekt«, erwiderte Josef. »Aber sie hat echtes Potenzial.«
»Ihre Schrittfolgen sind oft ein bisschen hastig«, meinte Hilda. »Ich frage mich manchmal, ob sie mit dem Herzen bei der Sache ist oder ob sie einfach nur die Bewegungen durchexerziert.«
»Nachdem ich heute mit ihr gesprochen habe, wird sich das vermutlich ändern«, sagte Josef.
Hilda murrte. »Das sagst du immer.«
»Vanessa ist anders. Ich spüre das. Sie hat Feuer in sich!«
»Das liegt nur an ihren roten Haaren«, erwiderte Hilda lachend.
»Nein, da ist noch etwas anderes. Es gibt so viele, denen es nicht gelingt, ihr Potenzial auszuschöpfen. Helen zum Beispiel ist eine große Enttäuschung. Ich hoffe nur, Vanessa wird nicht so wie ihreSchwester«, sagte Josef. Seine Stimme klang auf einmal bitter, und Vanessa war bestürzt. Josef hatte die Worte hervorgestoßen, als würde er Margaret verabscheuen.
»Warte mal«, sagte Hilda. »Ich habe da was gehört.«
Drinnen hörte man einen Stuhl knarren.
Vanessas Handy würde warten müssen. Hildas Hinken kam näher. Geräuschlos schlüpfte Vanessa um die Ecke in eine dunkle Nische neben der Kammer des Hausmeisters. Von dort aus konnte sie sehen, dass Hilda die Tür aufriss und suchend nach links und rechts blickte. Vanessa drückte sich noch enger gegen die Wand und hielt den Atem an. Ein Stück weiter den Korridor entlang schlenderte eine Gruppe Schüler lachend und plaudernd vorbei. Hilda blickte sie mürrisch an, bevor sie wieder in Josefs Büro trat und die Tür hinter sich zumachte.
Kapitel neun
Der September war in den Oktober übergegangen, und die Bäume entlang des Broadways hatten sich in ein leuchtendes Gewölbe über dem Bürgersteig verwandelt. Die Zweige bewegten sich im kühlen Herbstwind, während Vanessa und Steffie unter ihnen entlanggingen und Eistee tranken. Letzten Monat, als Elly plötzlich verschwunden war, waren die Blätter noch grün gewesen.
Vanessa konnte immer noch nicht verstehen, warum Elly gegangen war, ohne sich von ihnen zu verabschieden. Warum hatte sie niemandem etwas gesagt – oder mit ihnen darüber gesprochen, wie sie sich gefühlt hatte? Vanessa hatte sie ein Dutzend Mal angerufen und ihr SM S-Nachrichten geschrieben, und sie hatte ihr auf die Mailbox gesprochen, bis sie voll war. Sie hatte E-Mails geschrieben und Nachrichten über Facebook. Die anderen hatten das Gleiche versucht – aber es kam keine Reaktion.
»Manchmal frage ich mich, ob wir überhaupt Freunde gewesen sind«, sagte Vanessa. »Vielleicht haben wir die wirkliche Elly gar nicht kennengelernt.«
»Sag doch so was nicht«, meinte Steffie. »Natürlich haben wir sie gekannt.«
»Und warum ergibt das dann alles keinen Sinn?«, sagte Vanessa und erinnerte sich daran, wie sie sich gefühlt hatte, als Margaret verschwunden war. »Sie hat uns nicht genug vertraut, um uns etwas so Wichtiges zu sagen.«
»Ich glaube, dass es für sie gerade alles nicht so gut läuft. Sie hatnicht mal ihre Facebook-Seite aktualisiert. Wahrscheinlich macht sie gerade eine schlimme Zeit durch. Kannst du dir vorstellen, dass du das Tanzen aufgibst? Das wäre doch, als müsste man noch mal ganz von
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