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Dance of Shadows

Dance of Shadows

Titel: Dance of Shadows Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yelena Black
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seine Brust unter dem weit aufgeknöpften Hemd zu starren, und musste sich in Erinnerung rufen, dass er ihr nicht gefiel. Sie mochte Justin nicht.
    »Immerhin
habe
ich eins – im Gegensatz zu dir«, sagte sie leise vor sich hin. Sie blätterte eine Seite um, während Justin die Beine bis unter ihren Stuhl ausstreckte. Sie schaute finster und rutschte mit ihrem Stuhl weiter nach vorne. »Was machst du eigentlich hier? Bist du nicht in einer der oberen Klassen?«
    »Von der Reife her ja, von der Klasse her nein.«
    »Was soll das heißen? Ich denke, du warst im gleichen Jahrgang wie meine Schwester.«
    »Ich hab mich freistellen lassen. So ähnlich wie sie.«
    Bei dieser Bemerkung drehte sich Vanessa wütend um. »Sie hat sich nicht freistellen lassen. Sie ist weggerannt   … «
    »Das weiß ich doch. Sollte bloß ein Witz sein.«
    Vanessa sah ihn voller Verachtung an. »Du machst hier Witze über meine verschwundene Schwester und nicht über irgendjemanden.«
    Sein Lächeln verschwand. »Tut mir leid.«
    Vanessa schaute wieder nach vorn zur Tafel. Justin lehnte sich vor und sagte: »Bitte nimm meine Entschuldigung an.«
    Sie schauderte, als sie seinen warmen Atem auf der Haut spürte, aber dann schüttelte sie dieses Gefühl ab und konzentrierte sich.
    Justin ließ nicht locker. »Wenn du es genau wissen willst: In meinem ersten Jahr hier habe ich mich verletzt, etwa um dieselbe Zeit, als deine Schwester weggelaufen ist. Ich war auf einer Party, hab zu viel getrunken und bin irgendwie gestürzt und hab mir den Knöchel gebrochen.«
    Vanessa verdrehte die Augen. »Typisch.«
    Justin schwieg kurz. »Ich hab die Schule verlassen und drei Jahre Physiotherapie gemacht. In der Zwischenzeit hab ich Privatunterricht bekommen. Dann habe ich die Schule gebeten, mich wieder zuzulassen. Zum Glück hat man mich wieder aufgenommen, aber es werden nur ein paar meiner Privatkurse für den Abschluss hier anerkannt. Also musste ich in einigen Fächern von vorn anfangen. Deswegen bin ich hier. Bei dir.«
    Die Art und Weise, in der er »bei dir« sagte, ließ Vanessa nach Luft schnappen. Seine Stimme war sanft und sehnsüchtig, als sei er nur ihretwegen zurückgekommen, als wollten seine Lippen, über die seine Worte nur zögernd kamen, eigentlich noch mehr sagen. Einenkurzen Augenblick lang erlaubte sie sich, ihn anzuschauen. Seine Augen waren von einem tiefen wässrigen Blau und schienen inständig um etwas zu bitten.
Hör mir zu, ich versuche dir etwas zu sagen
, baten sie.
Versteh mich
. Vanessa ließ ihren Stift los und schnappte ihn gerade noch, ehe er zu Boden fallen konnte. Warum sollte sie mit Justin Mitgefühl haben?
    Die ganze restliche Stunde spürte sie, wie er sie anschaute.
    »Eure erste größere Aufgabe wird darin bestehen, dass jeder von euch einen Aufsatz über eine Geschichte aus der Mythologie schreibt«, sagte Mrs   Jasper. »Über ihre Ursprünge, ihre Bedeutung und ihre Rezeption.« Sie schaute auf die Uhr. »Wir haben noch fünf Minuten. Hat schon jemand eine Idee, worüber er schreiben möchte?«
    Sie wartete auf Meldungen.
    »Noch keiner?«, fragte sie forschend.
    Vanessa starrte auf die Kritzeleien auf ihrem Heftrand. Ein Paar Ballettschuhe. Der Name ihrer Schwester. Ein Vogel, der durch ein offenes Fenster in den Himmel hineinflog.
Fort
.
    Ohne zu merken, was sie tat, hob sie die Hand.
    Mrs   Jasper lächelte. »Ja, Vanessa. Woran hast du gedacht?«
    »An den
Feuervogel
«, sagte sie.
    Das schien Mrs   Jasper sehr zu gefallen. »Eine wunderbare Idee«, sagte sie. »Ich bin sicher, wir würden alle gern mehr über das Stück erfahren, das in diesem Schuljahr aufgeführt wird. Würdest du vor der Klasse einen kleinen Vortrag darüber halten?«
    »Natürlich«, sagte Vanessa.
    Hinter ihr lachte Justin höhnisch. »Indem du über Mythen nachliest, wirst du keine bessere Tänzerin«, sagte er vor sich hin.
    Vanessa starrte ihn an, und in diesem Moment läutete es. »Und wirst
du
ein besserer Tänzer, indem du mir bei jeder sich bietenden Gelegenheit über die Schulter schaust?«
    Justin stand auf und blickte auf Vanessa herunter, während dieSchüler um sie herum ihre Sachen packten und in den Flur gingen. »Nein. Siehst du, das ist der Unterschied zwischen uns: Ich will gar kein besserer Tänzer werden.«
    »Du hast mir gerade noch erzählt, dass du drei Jahre Krankengymnastik hinter dir hast und dass du Josef und Hilda angebettelt hast, dich wieder zurückzunehmen. Und jetzt willst du mir erzählen, dass

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