Dancing Jax - 01 - Auftakt
Es ist auch keine Halloween-Kostümparty. Das hier ist echt, gemein und gefährlich.«
Paul nickte. »Das weiß ich«, sagte er. »Ich hab’s schon erlebt.«
»Dann halte dich fern davon«, warnte sie. »Wo um alles in der Welt stecken eigentlich deine Eltern? Wie können sie zulassen, dass du in so einen Schlamassel gerätst?«
»Ich hab versucht, ihnen alles zu erklären, aber mir glaubt ja keiner!«, erwiderte er ungeduldig. »Niemand – absolut keiner.«
Trudy fuhr sich durch ihr toupiertes Haar. »Ich hätte dir auch nicht geglaubt – nicht vor jener Nacht.«
»Du glaubst also, dass dieser Fellows noch lebt?«, wollte der Junge wissen. »Auf Wikipedia heißt es, dass er verschwunden ist. Aber nach so langer Zeit kann er doch unmöglich noch am Leben sein.«
»Irgendwas ist aber noch da …«, erwiderte sie und sprach nun noch leiser, weil ein Fußgänger vorbeischlenderte. »Irgendetwas in diesem Haus hat überlebt. Und bewacht, was immer da drin ist.«
»Bitte erzähl mir, was euch passiert ist, bitte! Vielleicht hilft es ja.«
Trudy rieb sich unter ihrer Brille über die Augen. »Du hast ja die Website gesehen«, begann sie. »Du weißt, dass wir da hingegangen sind, weil wir … na ja … uns ein bisschen gruseln wollten. Wir hatten ja keine Ahnung, wie dämlich wir waren: ich, Geoff mit der Kamera, Reg, Keith und Regs Tante Doreen. Sie hat schon immer behauptet, dass sie ein bisschen übersinnlich ist. Sie sagt dir das Wetter besser vorher als dieser Wetterguru John Kettley und sie ist echt gut darin, verlorene Uhren oder Autoschlüssel aufzuspüren, aber nichts Großartiges – sie bekommt nur manchmal so ein komisches Gefühl, nimmt wahr, dass es an manchen Stellen kälter ist und so. Na ja, egal. Jedenfalls, sobald wir das Ende von dieser Auffahrt erreicht hatten, ist sie völlig ausgeflippt. Sie hat sich geweigert, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Sie hat gesagt, dass Haus sei ›voll‹ und würde ›lauern‹ – genau das waren ihre Worte, ›voll‹ und ›lauern‹. Sie meinte, ›er‹ sei da drin – ›er war nie weg‹. Sie redete immer zu von Schwärze … von Schimmel und Schwärze. Geoff hat sie sogar dabei gefilmt. Oh Gott, und wir haben sie ausgelacht …« Trudys Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an und sie versuchte, ihre Lippen mit einer ebenso rauen Zunge zu befeuchten.
»Sie hat so einen Aufstand gemacht, dass wir das Auto einfach genau da stehen ließen – mit ihr drin, während sie immer weitergezetert hat. Sie hat uns angefleht, nicht weiterzugehen, aber wir haben sie nicht ernst genommen. Wir waren ja so dumm. Wenn wir gewusst hätten, worauf wir uns einließen … Wie kleine Kinder, die ins Feuer fassen, um zu sehen, wie es sich anfühlt. Kichernd und rumblödelnd sind wir diese Auffahrt hochgelaufen. So verdammt ahnungslos.«
Ein Bus rumpelte an Trudy vorüber, sie wartete, bis er weit genug weg war, bevor sie weitererzählte. »Wir sind also zur Haustür gegangen. Das ganze Anwesen ist riesig – hast du das Foto gesehen?«
»Auf eurer Website, ja.«
»Dann weißt du ja, dass es seine besten Tage hinter sich hat und mit Brettern vernagelt wurde. Wir haben ein paar Fotos gemacht, uns wie Teenager aufgeführt. Wir haben was getrunken. Geoff hat uns dabei gefilmt, wie wir herumalbern – wir hatten einfach ein bisschen dämlichen Spaß und an mehr hatten wir auch nie gedacht. Wenn du erst mal so alt bist wie ich – geschieden und mit zwei erwachsenen Kindern –, weißt du, was ich meine. Und dann … dann habe ich den Vorschlag gemacht, einzubrechen und eine Séance abzuhalten. Das war meine geniale Idee! Ich habe sie alle dazu angestachelt – wirklich toll gemacht, Trudy!«
Sie brach ab und sah mit starrem Blick die Straße hinunter. Es war ein ruhiger Nachmittag, nur wenige Autos fuhren vorbei. Noch war nicht Schulschluss und in den Läden war heute auch wenig los. Erneut wischte sich Trudy über die Augen. Ein kleines Campingmobil in Orange und Beige fuhr langsam an ihnen vorüber.
Paul beugte sich vor. »Und, habt ihr’s gemacht?«, wollte er wissen. »Habt ihr so eine Séance gemacht?«
»Wir sind nicht ins Haus gekommen. Reg hat es an der Vordertür versucht, aber die hat sich kein Stück bewegen lassen. Geoff drückt mir also die Kamera in die Hand und meint, dass ich ihn dabei filmen soll, wie er auf der Hinterseite nach einem Weg rein sucht. Reg, Keith und ich stehen da und sehen zu, wie er heldenhaft den kleinen Pfad entlangmarschiert, der
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