Dancing Jax - 01 - Auftakt
es verkündet hat. Oh, was für ein Skandal! Wenn der Ismus davon erfährt, nimmt Langfinger Jack besser die Beine in die Hand!«
Der Junge klang so überzeugt und eindringlich, dass Emma genervt das Weite suchte.
»Gesegneten Tag!«, sagte er noch, dann versank er wieder in seiner Tagträumerei.
Emma blickte sich auf dem Pausenhof um. Auch andere Kinder standen wie er abseits und allein und wirkten ebenso gedankenverloren. Allerdings gab es auch Grüppchen, die im Kreis eng beieinanderstanden und aus irgendwelchen Büchern vorlasen. Sie alle trugen Spielkarten auf ihren Schuluniformen. So etwas hatte Emma noch nie gesehen. Was hier auch vorging, es war unnormal und gefiel ihr kein bisschen. Sie wünschte sich, Ashleigh und Keeley wären hier. Die beiden hätten an diesem gruseligen Verhalten sicher irgendetwas Witziges gefunden, worüber sie hätten herziehen können. Emma vermisste sie mehr, als sie je für möglich gehalten hätte. Sie fragte sich, wie es ihr wohl am Sonntag gehen würde, wenn die zwei beerdigt wurden.
Paul Thornbury hatte von Martin die Nachricht erhalten, dass er und fünf seiner Klassenkameraden sich in der letzten Doppelstunde bei der Psychologin melden sollten. Als er das erfuhr, verdrehte Paul die Augen. Martin war noch immer davon überzeugt, dass er über das Unglück reden musste, damit er aufhörte, mit Feuerwerkskrachern zu spielen. Warum nur hörte ihm niemand zu? Er dachte über die Psychologin, Mrs Clucas, nach und fragte sich, wie sie wohl so war. Wenn er es schaffte, wenigstens einen Erwachsenen auf seine Seite zu bekommen, würde er sich vielleicht nicht mehr ganz so einsam und nutzlos vorkommen.
Während Paul im Pausenhof stand, bemerkte auch er die Spielkarten, die sich einige der anderen Kinder angepinnt hatten, und zum ersten Mal fiel ihm auf, wie viele Schüler dieses Buch tatsächlich schon beeinflusste. »Oder infiziert hat«, murmelte er zu sich.
Es kam ihm vor wie eine Epidemie, die sich rasend schnell ausbreitete. Selbst die Lehrer, die Pausenaufsicht hatten, kratzten sich verwirrt am Kinn, weil sie nicht wussten, was sie von diesem neuen Spielkartentrend halten sollten. Als sie später im Lehrerzimmer über dieses merkwürdige Phänomen diskutierten, schlug Mr Roy vor, dass diese Mätzchen sofort unterbunden und die Karten verboten werden sollten.
»Erinnert ihr euch noch an diese Pokémonsache von vor ein paar Jahren?«, fragte der Erdkundelehrer. »Diese ganzen Tauschund Sammelkartenspiele sind einfach nicht gut. Sie verleiten die Kinder nur dazu, andere zu erpressen oder übers Ohr zu hauen – und die Jüngeren ziehen grundsätzlich den Kürzeren.«
»Aber das hier ist kein Tauschspiel, oder?«, hakte Miss Smyth nach. »Soweit ich weiß, geht es darum, sich mit einem der Häuser zu identifizieren.«
»Und dann waren da diese Gogos«, fuhr Mr Roy fort. »Diese Dinge geraten einfach immer außer Kontrolle.«
»Also wenn ihr mich fragt, sind die Kinder viel ruhiger als sonst«, fügte Miss Smyth hinzu.
»Wartet ab, bis die Woche um ist«, bat Barry Milligan alle. »Lasst sie nur machen, wenn sie wollen. Es schadet doch keinem, oder? Ausnahmsweise gibt’s mal keine Prügeleien oder Streit. Wie ich schon heute Morgen sagte, wenn wir die Beerdigungen und den Gottesdienst erst einmal überstanden haben, wird alles wieder normal.«
Und so blieben die Spielkarten, wo sie waren.
Später am Nachmittag, als die letzte Doppelstunde des Tages anbrach, sah Anthea Clucas zu, wie die kleine Gruppe Kinder aus Pauls Klasse ins Musikzimmer kam und sich auf die Stühle setzte, die sie im Halbkreis vor sich aufgestellt hatte. Keiner von ihnen trug eine Spielkarte. Als sie die Frau erwartungsvoll anblickten, lächelte sie ihnen zu. Dann hob sie das Buch, das sie in den Händen hielt, und las ihnen aus Dancing Jacks vor.
Mehrere Minuten lang zappelten die Kinder nervös auf ihren Stühlen herum – bis die Macht der Worte sie in ihren Bann zog und alle fünf verloren waren.
Im exakt selben Moment befand sich Paul Thornbury mehrere Meilen weit entfernt und lief die Hamilton Road in der Innenstadt entlang. Er hatte beschlossen, zu schwänzen und diese völlig überflüssige Psychotante nicht zu treffen. Es gab jemanden, mit dem er viel dringender reden musste.
Sein unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht an diesem Nachmittag rettete ihn.
Schon bald hatte er das Maklerbüro gefunden. Er betrachtete die Fotos von Häusern im Schaufenster und lugte durch die
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