Dancing Jax - 01 - Auftakt
gesessen hatte. Wie lange würde er sie damit noch erpressen? Sie musste der Sache ein für alle Mal ein Ende setzen, um jeden Preis! Emma zog ihre besten Sneaker wieder aus und wählte stattdessen ein wesentlich praktischeres Paar Stiefel. Damit konnte sie ihn besser dahin treten, wo es wirklich wehtat, wenn es sein musste. Niemand durfte so mit ihr umspringen. Ihr Blick streifte eine Nagelschere, die auf der Kommode lag – mit einem gemeinen Lächeln auf den roten Lippen steckte sie sie ein. Diese Sache würde enden, heute Nacht.
25
Mitternächtliche Stelldicheins in duftenden Lauben oder unter schummrigen Gauben, in mondbeschienenen Feldern, bei Kerzenschein in Wäldern, an Balkonen von Rosen geschmückt oder beim Dinner, ganz verzückt – wie betörend ist der Wein der Romanzen, wie ausgelassen lässt er uns tanzen.
Die View Point Road lag verlassen da – ein absoluter Kontrast zu vergangenem Freitagabend.
Es war dunkel und ruhig. Im Containerhafen zur Rechten brannten weniger Lichter als letzte Woche. Während des Gewitters in jener Nacht waren so viele kaputtgegangen, dass die Elektroinstallateure noch nicht dazu gekommen waren, alle zu ersetzen. Auch die Überwachungskameras waren noch außer Betrieb, doch dieses Geheimnis behielt die Hafenaufsicht für sich.
Von den hohen Sanddünen zur Linken wehte eine kalte Brise. Zerrissenes Polizeiabsperrband wehte in den Zweigen hässlicher Bäume und Ginsterbüsche. Geschlagene fünf Tage hatte die Spurensicherung die Straße lang und breit untersucht, ohne neue Erkenntnisse zu gewinnen – und diejenige, die ihnen alles hätte verraten und erklären können, stolzierte nun ebendiese Straße entlang.
Emmas junges Gesicht wurde von einem grimmigen Stirnrunzeln verzerrt. Mit verschränkten Armen marschierte sie die lange, einsame Straße zum Landguard Fort hinunter. Ihre Stiefel stampften laut über den harten Asphalt. Von allen Seiten bedrängten sie die Erinnerungen an jene grauenhafte Nacht. Vor ihrem inneren Auge tauchten die erstarrten, entsetzten Gesichter von Ashleigh und Keeley auf, die im grellen Scheinwerferlicht des Fiestas aufleuchteten, kurz bevor das Auto sie rammte. Emma grub die Fingernägel in ihre Handflächen und konzentrierte sich auf ihre Überlegungen, was sie Conor Westlake sagen würde.
Das letzte Stück der Straße knickte nach links ab und nun lag die massige, niedrige Festung vor ihr. Der Parkplatz davor war völlig verlassen. Die ausgebrannten Wracks hatte man abgeschleppt, nur das versengte Gras an den Rändern verriet, dass hier etwas geschehen war. Nicht einmal Blumen oder Kränze lagen hier. Wegen der forensischen Untersuchungen hatte man niemanden auf das Gelände gelassen. Darum waren auch so viele Beileidsbekundungen vor der Schule abgelegt worden.
Der ganze Ort wirkte verlassen und gespenstischer als jemals zuvor. Die Schatten der Nacht waren in alle Ecken und Mulden gekrochen. Vor einer Woche, sogar fast zur selben Zeit – oder später aufgrund der Verletzungen, die sie sich hier zugezogen hatten –, waren hier einundvierzig junge Menschen gestorben. Emma war von Grund auf viel zu skeptisch und zynisch, um an so etwas wie Geister zu glauben, trotzdem war sie kurz davor, die Nerven zu verlieren.
»Sei gesegnet«, sagte jemand ganz in der Nähe.
Erschrocken machte Emma einen Satz nach hinten und ließ eine Reihe obszöner Beschimpfungen vom Stapel. Auf dem Mäuerchen, das den Parkplatz einfasste, saß eine Gestalt, die sich nun erhob, sodass sich ihre Silhouette gegen den sternenbesäten Himmel abzeichnete.
»Du bescheuertes Arschloch!«, zeterte Emma. »Was sollte das denn – willst du, dass ich ’nen Herzinfarkt kriege?«
Conor Westlake sprang von der Mauer und zog sich die Kapuze vom Kopf. »Warum hast du dich denn so erschrocken?«, fragte er neugierig. »Ich sagte doch, dass ich hier auf dich warte.«
»Was willst du?«, wollte sie wissen. »Ich hab keine Zeit für so was. Eigentlich sollte ich mich längst mit Bacardi und Birnen-Cidre besaufen.«
»Vergebt mir, dass ich Euch heute Nacht hierherlocken musste, Mylady. Doch –«
»Spar dir den Scheiß!«, giftete Emma ihn an. »Du und die ganzen anderen Zombies, ihr bildet euch vielleicht ein, Gott gefunden zu haben …«
Der Junge lachte. »Glaubst du das im Ernst?«, fragte er. »Du liegst ja so was von daneben.«
»Scientologen, Zeugen Jehovas, Heilsarmee, Ufo-Jäger – mir doch scheißegal. Geht mir ehrlich gesagt am Arsch vorbei! Ich bin nur
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