Dancing Jax - 01 - Auftakt
unbeleuchteten Strandes, wartete schweigend ein noch größerer Menschenauflauf.
»Nicht in echt, oder?«, rief sie. Es mussten über hundert sein. »Was soll das – macht die Klapsmühle einen Ausflug?«
Eine Frau in einer schwarzen Ballrobe, die mit glitzernden Glasperlen besetzt war, und mit einer Tiara auf dem Kopf trat aus der Gruppe hervor. Ihr weiter Rock umwogte schwungvoll ihre Beine, während sie auf Emma zulief und sich dabei mit einem Fächer aus Federn gemächlich Luft zuwedelte.
»Hast du ’ne Wette verloren, dass du dich so rausputzt?«, keifte Emma sie böse an, als sie näher kam. »Ist es nicht ein bisschen früh für Fasching? Was soll das darstellen – Aschenputtels böse, hässliche Stiefschwester?«
»Komm her, Tochter!«, schalt die Pikkönigin sie. »Wir wussten, dass es schwierig werden würde, dich an den Hof zu holen, doch auch unsere Geduld kennt Grenzen.«
»Du bist nicht meine Mutter, du dürre Kuh! Du siehst eher aus wie Draculas olle Tante.«
»Lass den Ismus nicht noch länger warten!«, schimpfte die Frau, die man früher einmal als Queenie gekannt hatte. »Er hat uns geschickt, um dich zu holen.«
»Das könnt ihr gleich wieder vergessen!«, sagte Emma aufbrausend. »Mit euch Typen geh ich nirgendwohin! Gummizellen liegen mir nicht so.«
Als sie einen raschen Blick über die Schulter warf, sah sie, dass die erste Gruppe ebenfalls zum Strand gekommen war und näher rückte. Dahinter humpelte Conor Westlake. Sie saß in der Falle.
»Verpiss dich!«, knurrte sie die Frau an. »Sonst reiß ich dir den Kopf ab und stopf ihn dir sonst wohin!«
Die Pikkönigin klappte ihren Fächer zu und klopfte sich damit wütend in die offene Hand. »Genug, Tochter. Ein Gerangel wäre außerordentlich unwürdig und genau die Art von Aufruhr, welche die Karokönigin erfreuen würde. Verschaffe ihr nicht diese Genugtuung.«
»Euch hat man doch allen ins Hirn geschissen!«, keifte Emma. »Okay, mir reicht’s …« Sie holte ihr Handy aus der Tasche und wählte. »Ihr steckt jetzt so was von tief in der Kacke.«
Die Pikkönigin lachte leichthin. »Wenn du vorhast, die Polizei dieses öden, verschlafenen Städtchens zu rufen, dann blick dich genauer um.« Damit deutete sie mit ihrem Fächer hinter sich, wo ein untersetzter Officer aus der Menge trat.
Emma war weder beeindruckt noch eingeschüchtert. »Dann habt ihr euch also einen Bullen gezähmt«, höhnte sie. »Unsere Freunde und Helfer wollte ich bestimmt nicht holen, du Hackfresse. Ich ruf meinen alten Herrn an … Hi, Dad? Ich bin unten am Fort – hol mich schnell ab! Und bring Verstärkung mit, hier ist ein ganzer Haufen Freaks und Irre, die mich –« Die Pikkönigin schlug ihr das Telefon aus der Hand. In hohem Bogen flog es durch die Dunkelheit und verschwand mit einem platschenden Geräusch auf Nimmerwiedersehen.
Emma schrie auf vor Wut. Sie boxte der Frau ins Gesicht, in den Bauch und hieb ihr schließlich, als sie sich krümmte, das Knie gegen das Kinn. »Verrückte alte Krücke! Du bist so was von tot!«
Die beiden Menschenschwärme rannten auf sie zu. Emma zog die Frau an den Haaren und riss ihr die Tiara vom Kopf. Dann schubste sie sie auf die Kiesel und holte mit dem Fuß aus, um nach ihr zu treten. Doch plötzlich wurde sie an den Armen gepackt und zurückgerissen. Die beiden Gruppen hatten sich zusammengetan und sie eingekreist. Sie zerrten den wie am Spieß brüllenden Teenager von der Frau fort und hielten Emma so fest wie in einem Schraubstock.
»Finger weg – ihr Bekloppten!«, schrie sie. »Verpisst euch! Mein Dad wird euch kaltmachen!«
Jemand half der Pikkönigin aufzustehen.
»Die Heilige Schrift«, ordnete diese eilig an, schnappte nach Luft und hielt sich gleichzeitig den Bauch. »Lest ihr vor!«
Der Polizist stellte sich vor das zappelnde Mädchen. Dann knipste er seine Taschenlampe an und hob sein Exemplar von Dancing Jacks ins Licht. »Jenseits der Silbernen See …«, begann er.
Doch Emma weigerte sich, zuzuhören. Sie stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, das die Stimme des Officers übertönte. Dann hieb sie ihren Kopf nach hinten und brach damit dem Mann, der ihre Arme festhielt, die Nase. Jaulend ließ er los. Sofort wirbelte Emma herum und schlug dem Polizisten das Buch aus der Hand, dann prügelte sie ihm mit Wucht gegen die Brust. Der übergewichtige Officer verlor das Gleichgewicht und kippte nach hinten um. Das Mädchen warf sich auf den Nächsten und stieß ihn zur Seite. Einem anderen
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