Dancing Jax - 01 - Auftakt
sind so unberührt wie eine Jungfrau und ebenso reif und begierig darauf, gehortet und entdeckt zu werden.«
»Also Erstausgaben«, meinte Howie. »Wie viel sind die wert?«
»Alles«, kam die kryptische Antwort.
»Wer ist dieser Austerly Fellows?«, fragte Howie, der den Autorennamen gelesen hatte. »Noch nie von dem gehört.«
»Das haben die wenigsten – bisher«, antwortete Jezza mit der Andeutung eines Lächelns. »Aber das wird sich bald ändern. Sein Name wird in die Geschichte eingehen – das geloben wir!«
»Und sonst is nix in den Kisten?« Tommo konnte es einfach nicht fassen, er war mächtig enttäuscht. »Und dafür hab ich mir den ganzen Nachmittag lang den Rücken krummgeschuftet? So wie du dich angestellt hast, hätte ich drauf getippt, dass es das Familiensilber wär oder so. Ich hab gedacht, wir würden steinreich werden!«
Nun griff Jezza selbst nach einem der Bücher und schlug die erste Seite auf. »Dies hier ist wesentlich mehr wert als Silber«, versicherte er. Das cremefarbene Papier spiegelte sich in seinen Augen und ließ sie unnatürlich leuchten. »Alles andere wird daneben wie Unrat erscheinen. Wir haben eine lange Zeit warten müssen, doch nun sind unsere Worte bereit, gehört zu werden, bereit, in den Geist einzusickern und die Herzen zu befallen.«
»Okaaaaay«, sagte Tommo. »Dann gehen wir also nicht zurück und räumen das Haus aus?«
»Nein, zumindest nicht, um es auszuräumen. Außerdem haben wir das nun gar nicht mehr nötig.«
»Lesen war noch nie mein Ding«, meinte Miller, legte das Buch wieder weg und griff nach seinem Handy, um sich eine Portion Curry zu bestellen.
»Jenseits der Silbernen See«, fing Jezza an, »umgeben von dreizehn grünen Bergen, liegt das wundersame Königreich des Prinzen der Dämmerung …«
Während er laut vorlas, tauschten die anderen peinlich berührte Blicke. Was sollte das? Sie alle fühlten sich äußerst unwohl in ihrer Haut. Es war eine so merkwürdige Situation, dass Tommo beinahe losgekichert hätte. Irgendwie schien das so bizarr und albern – und außerdem passte es so gar nicht zu Jezza.
»Und so ging der Prinz der Dämmerung ins Exil«, fuhr Jezza fort, »und schwor, erst zum Schloss von Mooncaster zurückzukehren, wenn seine Untertanen sich seiner goldenen Herrschaft als würdig erweisen würden.«
Tommo fand die entsprechende Seite in seiner Ausgabe, und ohne es zu merken, fing er an, die Worte mitzuverfolgen, während Jezza sie aussprach, und zu Jezzas Vorgelesenem die Lippen zu bewegen.
»Doch wer sollte nun anstelle des Herrn regieren?« Jezza stieß ein Seufzen aus. »Wer würde für Ordnung unter den Rittern und Adligen, den Buben und wetteifernden Unterkönigen sorgen?«
Howie senkte den Blick auf das Buch in seinen Händen. Jezzas Stimme schien ihn langsam einzulullen, der Rhythmus der Worte sich dem Takt seines Herzens anzupassen. Er empfand Zuversicht, ein Gefühl von Geborgenheit, wie er es seit … Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er so etwas zuletzt gespürt hatte. Es war ein einladendes Gefühl voller Nostalgie – erinnerte ihn an früher, als ihn große Hände hochhoben und festhielten, als süße Lippen sein aufgeschürftes Knie küssten, als die Welt vollkommen war, wenn er unter seiner Lieblingsdecke mit den seidigen Borten lag und am oberen Zipfel lutschte. Er fühlte sich voller Wärme, geliebt und geborgen. Unter seinem roten Bart fingen seine eigenen Lippen, wie die von Tommo, an, sich zu bewegen.
»So trat der Heilige Magus vor«, las Jezza mit lebendiger, leuchtender Miene, »der eine, der fortan als Ismus bekannt war. Er allein konnte die Streitereien am Hofe schlichten und den hitzigen Untertanen Einhalt gebieten, solange der Prinz der Dämmerung im Exil weilte. Doch musste er sich zunächst würdig erweisen und das Große Martyrium erleiden …«
Shiela starrte Howie und Tommo in stummem Unglauben an. Dann bemerkte sie, dass auch Miller sein Buch wieder hochgehoben hatte und nun im Rhythmus der Worte den Kopf wiegte.
»Aufhören!« Schreiend schlug sie ihr Buch zu. »Sofort aufhören!«
Jezza unterbrach das Vorlesen und richtete seinen Blick auf sie. Seine Augen verengten sich und der Glanz darin verlosch.
»Ruf Dave an«, befahl er Miller, ohne den Blick von Shiela zu wenden. »Sag ihm, ich will, dass er heute Abend um acht hier ist. Ausreden kann er sich sparen. Und sag auch Tesco Charlie Bescheid – er soll seinen Lkw mitbringen. Enttäusch mich nicht.«
Miller und die
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