Dancing Jax - 01 - Auftakt
anderen rieben sich blinzelnd über die Stirn, als wären sie eben aus dem Schlaf gerissen worden. Widerwillig schlossen sie ihre Bücher.
»Äh … klar.« Miller griff nach seinem Handy. »Was ist mit Manda und Queenie?«
Jezza überlegte. »Warum nicht? Machen wir eine Party daraus! Das kannst du von unterwegs aus organisieren, Großer. Eine Sache gibt es nämlich noch, die wir heute Abend aus dem Haus holen müssen.«
»Ich geh auf keinen Fall dahin zurück!«, stellte Shiela klar. »Bis wir dort sind, ist es dunkel.«
Mit ausdruckslosem Gesicht wandte Jezza sich ihr zu. »Ich brauche dich nicht. Diesmal nehme ich Howie und Miller mit.«
Howie protestierte. »Ich werd aber ganz bestimmt nichts Anstrengendes machen!«
»Keine Bange, Leonardo, deine zarten Händchen werden keinen Schaden nehmen.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Tommo.
»Du machst dich solange nützlich«, erklärte Jezza. »Besorg ein paar Dosen Bier und was du sonst noch tragen kannst. Die Mädels sind sicher wieder zu geizig, um irgendwas mitzubringen.«
»Aber ich bin pleite!«
»Howie, gib ihm Geld.«
»Warum gerade ich?«
Jezza grinste ihn an. »Weil wir hier in deinem Handelsimperium sind. Und du mit Sicherheit den lieben langen Tag damit beschäftigt warst, von all den hirnlosen Mitläufern Kohle einzustreichen, die hier antanzen, um sich verpassen zu lassen, was gerade angesagt ist – nur, um es später zu bereuen, wenn das beschissene Tattoo auf einmal nicht mehr cool ist. Dann wären da natürlich noch die Tribal-Schnörkel und die Stacheldrahtverzierungen, die sie sich in die pickelige Haut stechen lassen, weil sie meinen, so sehen sie tough, machomäßig oder geheimnisvoll aus und interessanter, als sie in Wirklichkeit sind. Wenn du schon dabei bist, warum spendierst du ihnen kein Tattoo auf der Stirn, das sagt: Ich bin ein hohles Schaf?«
»Spar dir das«, warnte Howie. Es machte ihm nichts aus, wenn Jezza den Lehrmeister raushängen ließ, aber nur solange er nicht über seine Kunden herzog und damit – in logischer Schlussfolge – über ihn selbst.
Obwohl … Ihm fiel die Neunzehnjährige ein, der er, kurz nachdem er sein Studio eröffnet hatte, ein Gruppenporträt von Hear ’Say, den damaligen Popstars -Gewinnern, auf den Rücken tätowiert hatte. Acht Monate später war sie wiedergekommen und hatte gefragt, ob es irgendwie möglich wäre, das Ganze zu überarbeiten und die Jungs stattdessen wie die Mitglieder von Blue, Gewinner von Pop Idol, aussehen zu lassen. Damals hatte sich Howie gerade noch zusammenreißen können und sie höflich darauf hingewiesen, dass Blue ein Mitglied weniger hatte als Hear ’Say, weshalb das leider nicht möglich sei. Sobald sie schmollend von dannen geschlurft war, hatte er sich beinahe vor Lachen in die Hose gemacht.
Nun öffnete der Tätowierer grummelnd seine dicke Brieftasche. »Hier hast du vierzig.« Er drückte Tommo ein paar Scheine in die Hand. »Aber das Wechselgeld will ich zurück!«
»Gib ihm mehr«, ordnete Jezza an.
Howie sah das nicht ein. »Das reicht doch locker für ein paar Bier und eine billige Flasche Wodka!«
»Es ist nicht für Alkohol.«
»Essen?« In Miller keimte Hoffnung auf.
Jezza nahm Howie die Brieftasche ab und gab sie Tommo. »Ich will an die dreißig große Säcke Kohle.«
»Grillkohle?«, fragte Tommo.
»Ganz genau, wir werden ein schönes Feuerchen schüren.«
»Am Strand? Cool!«
»Nein, nicht am Strand, und glaub mir, es wird alles andere als cool. «
Howie grapschte nach seinem Geldbeutel und nahm sämtliche Plastikkarten raus, abgesehen von der Payback-Karte, dann gab er ihn zurück. »Vergiss nicht, die zu benutzen«, prägte er Tommo ein. »Ich will die Punkte.«
»Punkte?«, höhnte Jezza. »Meinst du im Ernst, dass die dich dafür belohnen, dass du loyal bist? Lebst du hinterm Mond? Wach auf, Bruder! Das Einzige, was die machen, ist, ein Profil über dein Kaufverhalten mit allen Details zu erstellen – jedes Mal wenn du die oder irgendeine andere deiner Karten benutzt. Die wissen, was du isst, was du anziehst, was du liest, wohin du jeden Tag fährst und wo du dich zu bestimmten Tageszeiten aufhältst. Die wissen, was für Musik du hörst, was du dir im Fernsehen anschaust, welche Websites du anklickst und was du dir runterlädst, was dich anmacht und welche YouTube-Videos dich zum Lachen bringen. Die kennen sogar deine politische Meinung – ist alles längst in deiner Akte, und wer hat die fröhlich ausgefüllt? Du! Ganz
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