Dancing Jax - 01 - Auftakt
Schreibmaschinen, hässliche Uhren, aus der Mode gekommene Schuhe, angeknackste Vasen, verbogene Kerzenhalter, unvollständige Puzzles, gesprungene Töpferware, Sammelausgaben von Coversongs auf Schallplatte, leere Bilderrahmen. Nichts, was für einen richtigen Trödeljäger von Interesse war.
Während Conor sich durch die Menge schlängelte, bemerkte er die ausgelegten Waren nur am Rande – bis er zu einem verbeulten alten VW-Bus kam, an dem eine junge Frau hinter einem Tapeziertisch stand, auf dem stapelweise alte Bücher lagen. Es waren alles dieselben, mit grün-cremefarbenem Cover.
Emmas herablassende Zusammenfassung von Sandra Dixons Kommentar noch in den Ohren, hielt Conor an und hob eins hoch.
»Dancing Jacks« ,las er.
Die Frau hinter dem Tisch beäugte ihn eigenartig und warf ihm unauffällig warnende Blicke zu. Beinahe als wolle sie verhindern, dass er sich das Buch ansah – und erst recht kaufte.
Er schenkte ihr keine Beachtung und blätterte es durch. Die schwarz-weißen Zeichnungen darin wirkten altertümlich auf ihn – ihm fuhr der Gedanke durch den Kopf, dass es ihnen tatsächlich guttun würde, wenn jemand sie ausmalte.
»Ha!«, platzte es aus ihm heraus.
»Das ist nichts für dich«, murmelte die Frau.
»Worum geht’s darin denn?«
»Wird dir nicht gefallen.«
»Wie viel?«
»Das Ding ist die reinste Zeitverschw–« Sie verstummte augenblicklich, als aus dem Kleinbus ein Geräusch erklang und kurz darauf ein hagerer Mann in der Schiebetür auftauchte.
»Milde Gaben sind alles, was wir wollen«, sagte er mit einem schiefen Lächeln. »Nur dreißig deiner glänzenden neuen Pennies.«
»Dreißig Pence? Das ist alles?«
Der Mann verbeugte sich. »Ein einmaliges Sonderangebot, das nur heute gilt. Nächste Woche kostet das Stück zehn Pfund und danach … Wer weiß, vielleicht einhundert – oder eintausend oder mehr?«
Conor hätte beinahe gelacht, doch etwas an der Art des Mannes verlangte ihm Respekt ab. Dann bemerkte er, dass die abgewetzte Lederjacke des Verkäufers um zwei lange Stoffstücke ergänzt worden war, sodass sie nun wie ein Frack wirkte oder wie ein altmodischer Smoking. In dem Buch gab es eine Zeichnung von einer Figur, die etwas ganz Ähnliches trug. Genau genommen hatte sie sogar eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem alten Fuchs.
Conor gab ihm das Geld und spazierte dann mit dem Buch unter dem Arm davon.
Die Augen des Mannes glitzerten. Dann wandte er sich der Frau zu, nahm ihre Hand und küsste sie. »Ihr müsst anstreben, Eure Geschäfte mit größerer Überzeugungskraft zu tätigen, schöne Labella«, ermahnte er sie.
Shiela nickte langsam. »Ja, Ismus.« In ihrer Stimme lag Furcht.
10
Tag und Nacht beschützen sie den Ismus, indem sie achtsam und nimmermüde Wacht über seine Heiligkeit halten, seine aufopfernden Leibwächter: die drei Schwarzgesichtigen Damen. Keine zarten Maiden sind dies, sondern muskulöse Raufbolde in schwarzen Roben und eisenbeschlagenen Stiefeln, mit mitternachtsschwarzen Bändern um Knie und Arme. Rußbeschmiert sind ihre Wangen und Brauen, denn sie haben ihren wahren Namen entsagt, und ihr stampfender Tanz ist der Tödlichste von allen. Trachte nicht danach, mit ihnen ein Tänzchen zu wagen. Allein der Jockey tollte und hüpfte je in ihrer Mitte und überlebte, um darüber frohlocken zu können.
Hüte dich vor Morris, hüte dich vor dem giftigen Biss von Old Oss und Scorchs feuriger Zunge!
Früher an diesem Morgen war Howies Tattoostudio zum Schauplatz von etwas Unerklärlichem, vielleicht sogar einem Wunder geworden.
Weil Howie darauf bestanden hatte, hatte Tesco Charlie seinen Lkw das ganze Wochenende über vor dem Laden stehen lassen. Einer anderen strikten Anweisung Howies folgend, hatten sie Jezza im Container gelassen – mit nur einer Flasche Wasser, ohne Essen und ohne Licht, nachdem die LED-Leuchten ihren Geist aufgegeben hatten. Nur Shiela hatte gegen diese wahnsinnige Idee protestiert – Jezza brauchte medizinische Versorgung. Alle anderen hatten Howies Aufforderung nur zu gerne Folge geleistet. Shiela konnte nicht begreifen, warum sie sich plötzlich so gefügig und unterwürfig verhielten.
In der Nacht hatte sie im VW-Bus geschlafen und den Schmerzensschreien ihres Freundes gelauscht, wenn er aus seiner Ohnmacht erwachte, nur um gleich wieder die Besinnung zu verlieren. Sie war sich schrecklich hilflos vorgekommen, doch als sie das Radio angestellt und erfahren hatte, was vor dem Landguard Fort passiert war,
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