Dancing Jax - 01 - Auftakt
und flatterte zu Boden. Dann folgte ihm ein Stift. Büroklammern schossen in die Luft. Der Computermonitor flackerte und ging schließlich aus.
Die Patientenkarten am Ende jedes Bettes klapperten mit einem Mal wie wild gegen die Metallrahmen. Der Verschluss einer Plastikflasche sprang ab und heller Orangensaft spritzte heraus. Ein Beutel Kochsalzlösung schaukelte wie ein irregewordenes Pendel an seinem Haken hin und her. Dann erhob sich der gesamte Ständer vom Boden. Eine Morphiumpumpe vibrierte und schaukelte schließlich heftig.
Shauns Augen wurden so groß wie Teetassen.
Eine nach der anderen schwollen die Heliumballonfiguren an, bis sie schließlich platzten. Die Grußkarten wirbelten hoch und klatschten gegen die Wände, wo sie wie aufgespießte Schmetterlinge hängen blieben. Die helltürkisen Vorhänge zwischen den Krankenbetten fingen an zu flattern und die Gardinenringe, an denen sie hingen, schepperten gegen ihre Stangen, als sie der Decke entgegenwogten. Und dann hoben sich sogar die Bettdecken und schwebten wie wollene Flöße unter der Decke.
Wie zuvor die Ballons bliesen sich nun auch die Kochsalzbeutel auf, bis sie in kurzen Abständen nacheinander explodierten.
Ein weiterer Beckenschlag erschallte. Die Trompeten dröhnten und die Posaunen donnerten.
Immer noch schlafend schrie Janet Harding los.
Wie zur Antwort ertönte aus dem Gerät, das der Ismus in der Hand hielt, ein schrilles Pfeifen und die Nadel der Anzeige überschlug sich.
Die Körper der Kinder erhoben sich in die Luft und sämtliche Bettpfosten verließen den Boden.
Jetzt brüllte auch Peter Starkey. Dann fiel Jonathan Spencer mit ein. Der Ismus tanzte im Zimmer herum und schon bald schrie jedes Kind aus Leibeskräften.
Shaun sah, wie Fiona Ellis von ihrer Matratze abhob. Immer höher schwebte das Mädchen, bis die unsichtbare Kraft es plötzlich gegen die Wand schleuderte, wo es kopfüber hängen blieb.
Als Nächstes folgte Thomas Goulden. Der Infusionsschlauch riss aus seinem Arm und dann wurde der Junge, sich überschlagend, gegen das Wandbild von Dumbo und Shrek geworfen. Direkt neben ihm schlug sein Nachttisch ein und der gesamte Inhalt seiner Wasserflasche ergoss sich in Thomas’ Gesicht. Trotzdem blieb er weiterhin in seinem Albtraumschlaf gefangen.
An den Schreibtisch gelehnt, beobachtete Schwester Olivant das Schauspiel mit stiller Bewunderung. Wie leicht und schwindelig sie sich fühlte, nun, da sie wusste, dass diese Welt nicht die wahre war.
Mit heftig peitschenden Seiten flogen Comics und Zeitschriften vorbei. Sie schlugen gegen die Decke und formten dort ein lärmendes Chaos aus zuckenden Seiten und Hochglanzpapier.
Schließlich wurden auch die übrigen zehn Kinder aus ihren Betten gehoben. Mit den Beinen voraus wurde Harvey Temple hochgerissen und gegen die Wand geschleudert, wo beide Gipse hart aufschlugen.
Der Ismus frohlockte inmitten des Schreckens und der Verzweiflung der schlafenden Kinder. Hocherfreut hüpfte er mal hierhin, mal dorthin und heftete den Blick dann auf die Anzeige des Apparats. Die Nadel hatte sich einmal um dreihundertsechzig Grad gedreht. Nun war die Zeit reif.
Der statische Tumult, der knisternd aus den Lautsprechern dröhnte, hatte die Musik inzwischen vollständig übertönt. Es war jetzt schon beinahe ohrenbetäubend laut, doch noch immer stieg der Geräuschpegel weiter an. Langsam wurde es unerträglich. Shaun presste die Zähne aufeinander und die Augen zu, als der Lärm schließlich seinen ganzen Körper erfasste. Mr Hankinson hielt sich die Ohren zu und Labella tat es ihm gleich. Joan schauderte, zuckte unter dem Krach zusammen und selbst die schwarzgesichtigen Leibwächter zitterten. Die durchdringenden Laute schienen sich in ihre Köpfe zu bohren, bis sie – endlich – eine Intensität erreichten, die man nicht länger wahrnehmen konnte. Mit einem Mal waren wieder nur die Musik und die Schreie der Kinder zu hören.
Der Ismus änderte die Frequenz um eine Winzigkeit. Sofort brach die Musik ab und wurde von einem neuen Geräusch abgelöst.
Shaun klopfte das Herz bis zum Hals, als ein grausames Gebrüll erschallte. Wie von einem Tier und doch anders als alles, was er je in seinem Leben gehört hatte. Es war ein unheimliches, unersättliches Brüllen – ein Laut, erfüllt von schrecklicher Wut.
»Hört nur!« Zärtlich streichelte der Ismus über die Lautsprecher. »Mauger kann es kaum erwarten, zu uns zu kommen.«
Nachdem er in die Mitte des Raums geschritten war,
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