Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dancing Jax - 01 - Auftakt

Dancing Jax - 01 - Auftakt

Titel: Dancing Jax - 01 - Auftakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ma2
Vom Netzwerk:
Verwundeten des Unglücks waren über das ganze Krankenhaus verteilt – wo auch immer man noch Platz fand, hatte man sie untergebracht.
    Alles war ruhig. Im Dämmerlicht glänzten Heliumballons aus Aluminium, die an die Nachttische gebunden waren. Das Weiß in den Augen der gemalten Disneyfiguren an den Wänden schien im Halbdunkel zu leuchten. Aus einem der Betten drang ein verschlafenes Wimmern, auf das ein zweites antwortete.
    »Wir können ihnen die Schmerzen nehmen«, murmelte Shaun bedrückt, »aber gegen ihre Albträume sind wir machtlos. Die Schrecken dieser Nacht werden sie noch lange verfolgen – die armen Dinger.«
    »Ein paar Plätzchen wären auch toll«, sagte Joan, um wieder auf das Thema Tee zurückzukommen.
    »Ich will keinen Tee«, erwiderte Shaun. »Wenn ich was zu trinken haben will, hole ich mir eine Dose aus dem Automaten.«
    »Du bist mir vielleicht ein Gentleman«, beschwerte sich die Schwester. »Ich schau mal rüber auf die Neugeborenenstation, vielleicht kann ich da ein bisschen Milch abstauben. Ansonsten klau ich einem der Babys die Flasche! Außerdem haben sie da immer eine riesige Dose Plätzchen.«
    Sie stand auf und marschierte zur Sicherheitstür. Als sie stehen blieb, um auf den großen Türöffner zu drücken, schaute sie noch einmal zurück. Zwinkernd sagte sie: »Wenn du Glück hast, Shauny, dann darfst du nachher bei mir dein Plätzchen einstippen.«
    Shaun verschlug es die Sprache, er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte – aber ihm kam das überlaute Schluckgeräusch aus den alten Tom und Jerry- Trickfilmen in den Sinn. Hastig blickte er in die andere Richtung. Eines schönen Tages würde sie sich noch auf ihn stürzen oder ihm an den Po fassen – oder noch schlimmer. Er überlegte, ob er mit der Personalabteilung sprechen sollte. Andererseits würde dann seine Aussage gegen ihre stehen. Joan würde es laut lachend abtun und jeder würde denken, dass er paranoid war oder einfach nur Ärger machen wollte. So lange, wie sie schon hier arbeitete, würde ihm kein Mensch glauben.
    Er stieß einen bedrückten Seufzer aus, als ihm wieder einfiel, wo er sich befand. Im Vergleich zu dem, was diese Kids durchgemacht hatten, waren seine Problemchen ein Dreck. Fast schämte er sich dafür, dass er sich den Kopf über solche Belanglosigkeiten zerbrach.
    Der Krankenpfleger verließ seinen Platz und sah nach den Patienten. Peter Starkey: dreizehn Jahre alt, mehrfache Beinfraktur. Thomas Goulden: elf Jahre alt, gebrochene Rippen und Verbrennungen. Janet Harding: vierzehn Jahre alt, mehrfache Brüche. Jonathan Spencer: dreizehn, Verbrennungen des Rückens dritten Grades …
    Als Shaun ans Bett von Harvey Temple kam, hielt er inne. Der Zwölfjährige hatte beide Beine eingegipst und Verbände an den Armen, dort wo seine Fleecejacke am Freitag mit seiner Haut verschmolzen war.
    Der Pfleger lächelte. Der Junge war mit seinen Kopfhörern im Ohr eingeschlafen. Behutsam nahm Shaun sie ihm ab und legte den daran hängenden iPod auf das Nachttischchen neben die Gute-Besserung-Karten.
    Harvey regte sich kurz und wimmerte. Auch er hatte Albträume, weil er die grauenhaften Augenblicke wieder und wieder durchlebte: die Prügelei, das heranrasende Auto, die Schreie, als es durch die Menge pflügte, die Panik, die Explosionen, das Feuer, das vom Himmel regnete …
    »Alles wird gut«, flüsterte Shaun. »Träum nicht davon. Schlaf einfach nur, Harvey.«
    Dann hörte er, wie Joan sich mit ihren Wurstfingern am Tastenfeld neben der Tür zu schaffen machte.
    »Gab’s also keine Milch?« Er nickte auf ihre leeren Hände, als sie zurückkam.
    Schleppend ging die Nachtschwester zum Schreibtisch und lehnte sich dagegen. Obwohl Shaun ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht deutlich sehen konnte, bemerkte er einen merkwürdigen Ausdruck darin.
    »Alles okay?«, fragte er.
    Schwester Olivant lächelte. Es war ein komisches, leeres Lächeln.
    Shaun starrte sie an und fragte sich, was für eine neue Anmache sie sich nun wieder überlegt hatte. Argwöhnisch ging er auf sie zu. Dann sah er die gelben Flecken um ihren Mund und den gräulichen Saft, der ihr vom Kinn tropfte. »Was hast du denn gegessen?«
    Das Lächeln der Frau wurde breiter und sie blickte zur Sicherheitstür zurück. Zu spät bemerkte Shaun den dürren, schmuddeligen Mann mit der Lederjacke, der sie aufhielt und boshaft grinste. Zuerst nahm der Pfleger automatisch an, dass es sich um den Verwandten eines Patienten handeln musste – aber um

Weitere Kostenlose Bücher