Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
einen Drogendealer wäre er allemal!«
Kate fuhr fort. »Könnten Sie vielleicht die zunehmende Besorgnis lindern, die wir in Amerika im Hinblick auf dieses Buch und seine unerklärliche Macht über die Bevölkerung Großbritanniens haben? Können Sie verstehen, warum Außenstehende es seltsam, sogar bedrohlich und unheimlich finden?«
»Selbstverständlich muss es Außenstehenden merkwürdig vorkommen, doch lassen Sie mich Ihre Befürchtungen zerstreuen. Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Dafür sind die Vorteile, die es unserer Gesellschaft gebracht hat, endlos.«
»Und dennoch hat es vor nicht einmal zwei Monaten Unruhen in sämtlichen britischen Großstädten gegeben. Die Menschen haben gegen Dancing Jax protestiert. Szenen haben sich abgespielt, die an Auseinandersetzungen im Mittleren Osten erinnerten. Wir alle haben die CNN-Bilder von den Straßenkämpfen noch im Gedächtnis. Und das Internet war in ganz Großbritannien volle drei Wochen lahmgelegt. Wie erklären Sie das? Gab es nicht sogar mehrere Tote?«
»Die Meinungsverschiedenheiten sind beigelegt«, versicherte der Ismus. »Diese fehlgeleiteten Gruppierungen waren Unruhestifter, die das Buch gar nicht gelesen hatten. Dass Menschen gestorben sind, ist höchst bedauerlich, doch es waren Unfälle, nichts weiter. Derartige Gewaltausbrüche könnten niemals wieder stattfinden.«
»Weil die Anti-Jax-Gruppierungen das Buch inzwischen gelesen haben und damit unter seiner, also Ihrer, Kontrolle stehen?«
»Wie ich schon sagte, es gibt keine Aufstände mehr. Genau betrachtet, ist es nicht nur ruhiger geworden, Verbrechen – und das in jeder Hinsicht – existieren überhaupt nicht mehr.«
»Nicht zu glauben!«
»Es stimmt aber. Das letzte Verbrechen wurde vor über einem Monat gemeldet, und das bezieht sich auf jede Art von Vergehen. So etwas passiert einfach nicht mehr.«
»Unfassbar.«
Der Ismus grinste Kate an. »Nicht wahr? Und dann wäre da noch der Verkauf von verschreibungspflichtigen Medikamenten, wie Antidepressiva und Valium – liegt inzwischen bei null. Die Menschen brauchen diesen Mist nicht länger. Drogen, egal ob legal oder illegal, haben sie nicht mehr nötig. Entziehungskuren gehören der Vergangenheit an. Jeder frühere Alkoholiker oder Drogenabhängige ist heute clean.«
»Es fällt mir schwer, Ihnen das abzunehmen, Mr Ismus.«
»Ismus genügt.«
»Sie sagen also, dieses Buch hätte ernsthafte Depressionen geheilt? Dass kleinere wie schwerwiegende Straftaten von diesem Buch ausgemerzt wurden? Dass Abhängigkeit von starken Drogen wie Heroin aufgrund dieser Geschichte vollständig ausgelöscht wurde?«
»Sie sollten einem unserer Hochsicherheitsgefängnisse einen Besuch abstatten. Jedes einzelne hat heute je vier Teams von Moriskentänzern und eine eigene kleine Heimliga. Statt Unruhe zu stiften, veranstalten die Sträflinge Tanzwettbewerbe.«
»Das ist absolut verblüffend.«
»Und das ist nur eine der vielen Freuden, die Dancing Jax zu bieten hat«, betonte der Ismus. »Es hat dieses in sich zersplitterte Land wieder vereint und es zu einem besseren Ort gemacht.«
»Können Sie erklären, wie das vor sich gegangen ist? Was genau ist es, was das Buch seinen Lesern bietet? Und wie kommt es, dass es solche Macht über die Menschen hat?«
Der Ismus blickte Kate in die Augen, sodass es sie beinahe aus der Fassung brachte. Doch sie würde nicht zulassen, dass er sie einschüchterte. Sie hatte schon wesentlich mächtigere Menschen interviewt – zumindest glaubte sie das.
»Es bietet ihnen Ordnung«, erläuterte er. »Menschen brauchen eine feste Führung, sie geben es nur nicht zu, weil man ihnen eingetrichtert hat, dass das schlecht sei. Sie wollen an eine einfachere Welt glauben, in der die Bürde der freien Entscheidung nicht existiert. Wo sie wissen, wer sie sind und welche Rolle ihr Leben in einem größeren Ganzen spielt. Zu wissen und dazuzugehören, sind –«
»Die Bürde der freien Entscheidung?«, fiel Kate ihm ins Wort. »Entschuldigen Sie, aber Meinungsfreiheit und freier Wille machen uns doch aus, vor allem uns Amerikaner. Es ist der Grundstein unserer Verfassung. Wie können Sie das eine Bürde nennen?«
Der Ismus machte eine wegwerfende Handbewegung, die Kate als absolut beleidigend empfand. »Nichts als eine nette kleine Illusion. Was Sie für freie Wahl und freien Willen halten, ist nichts als Schall und Rauch. Welche Wahl hat man denn heutzutage noch, wo ein Geschäft dem anderen gleicht? Oder nehmen
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