Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
ja hier, nicht? Um Brandon zu sein und mich auszuruhen, damit ich drüben noch stärker sein kann – echt cool!«
»Was halten deine Eltern in den USA denn von all dem?«
»Tja, das ist so ’ne Sache. Neulich hab ich mit ihnen geskypt. Ist schon echt schräg, hier in diesem Traumding auch eine Familie zu haben. Meine wahre Mom ist nämlich gerade in unserem kleinen Häuschen und spinnt Wolle oder erntet draußen auf dem Feld Rettiche.«
»Und deine Familie in Wisconsin, wie findet die das?«
»Die kapieren das nicht, Mann. Aber ich meine, wie auch? Sie haben ja noch keins der Heiligen Bücher. Sie sind schon ganz in Ordnung, ist nicht ihre Schuld. Aber die sind total ausgerastet, Mann.«
»Wegen deiner Hingabe an Dancing Jax?«
»Sie sind einfach nur unwissend, Mann. Das ist alles. Aber bald wird sich das ändern. Gestern hab ich ihnen ein Buch per FedEx geschickt!«
»Du hast eins dieser Bücher nach Amerika geschickt?«
»Aber klar. Kann mir eigentlich gar nicht erklären, warum das nicht schon längst einer gemacht hat! Mach die Augen auf, Amerika!«
»Danke, Brandon.«
»Hey, Mann, gesegneten Tag auch!«
Kate Kryzewski, eine Reporterin, die sich so schnell durch nichts aus der Ruhe bringen ließ, die in Afghanistan und im Irak gewesen war, schien ehrlich beunruhigt. Mit ernstem Blick wandte sie sich zur Kamera. »Mach die Augen auf, Amerika«, wiederholte sie. »Dem jungen Mann kann ich nur von Herzen beipflichten. Jeder Einzelne, den ich hier in London getroffen habe, war vollkommen besessen von diesem scheinbar normalen und altmodischen Märchenbuch. Und wenn ich besessen sage, meine ich das wortwörtlich. Die Menschen hier sind nicht nur glühende Fans. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass dieses Buch sie völlig in Besitz genommen hat, und zwar in solch einem Maß, dass jeder die Identität einer der Charaktere aus der Geschichte angenommen hat. An allem, was damit nicht in Verbindung steht, haben sie kein Interesse mehr. Wann immer sich die Gelegenheit bietet, lesen sie in dem Buch, wieder und wieder. Die britische Regierung hat sogar vor Kurzem ein neues Gesetz erlassen, nach dem das ganze öffentliche Leben sieben Mal am Tag für jeweils fünfzehn Minuten zum Stillstand zu kommen hat, damit Massenlesungen abgehalten werden können. Anscheinend liest es sich nämlich am besten in der Gruppe. Können Sie sich vorstellen, dass das auch in Amerika um sich greift?«
»Verflucht gruselig ist das«, bemerkte Harlon, der noch immer in seinem Sessel lümmelte und mit der flachen Hand auf sein Pult klatschte. »Durchgeknallte Irre, allesamt! Da sieht man, was warmes Bier und schlechtes Essen anrichten können! Als ich das letzte Mal dort war, wollten die mir allen Ernstes Bohnen zum Frühstück servieren. ›Wollt ihr mich verarschen?‹, hab ich gesagt. ›Nehmt euren Bauernfraß und verschwindet!‹ Dämliches, hinterwäldlerisches Pack!«
»Und in jedem Garten und Park«, fuhr Kate fort, die inzwischen vor dem Palmenhaus in Kew Gardens stand, »wachsen diese merkwürdigen neuen Züchtungen von Bäumen und Sträuchern, die man Minchet nennt.«
Die Kamera zoomte an ihr vorbei und nahm eine Reihe von hässlichen, missgestalteten Büschen in den Fokus, die mit ihren Ausläufern die meisten der exotischen Pflanzen, die hier einmal gediehen waren, erdrückten und absterben ließen.
»Auch diese Pflanze kommt in dem Buch vor. Und seien Sie froh, dass wir noch nicht in Vier-D senden, so bleibt Ihnen immerhin das Geruchserlebnis erspart. Dieses Grünzeug stinkt nach einer Mischung aus Sumpf, Mundgeruch und feuchtem Keller. Dennoch haben die Briten eine derartige Vorliebe für die Früchte entwickelt, dass man sie inzwischen schon in Säfte, Limonade, Kosmetik und sogar in Süßigkeiten mischt. Man kann einen MacMinchet Burger genauso wie einen Great Grey Whopper kaufen und das Geheimrezept der Spezialsoße von Kentucky Fried Chicken besteht nun aus zwölf Kräutern und Gewürzen. Ohne Zweifel fragen Sie sich, ob hier vielleicht eine süchtig machende Droge am Werk ist, doch wir haben es ins Labor geschickt und absolut keinen Hinweis auf etwas gefunden, das für das merkwürdige Verhalten der Menschen hier verantwortlich sein könnte.«
Als Nächstes meldete sich die Reporterin vom Savoy Hotel zurück. Kate hatte ein ernstes Gesicht aufgesetzt.
»Im Zentrum dieses seltsamen neuen Phänomens steht der Mann, der Dancing Jax dem Publikum des 21. Jahrhunderts vorgestellt hat. Auch er
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