Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
Wachtmeister mich beim Zechen im Gasthaus Zum Silbernen Groschen erwischt hat, habe ich mich nicht gegen die Fessel gesträubt, auch das Schicksal, das mich erwartete, war ich gewillt hinzunehmen. Jackys Schwert hat viele Köpfe rollen lassen, mein Bursche, und er hat das Leben in vollen Zügen genossen. Nur zu gut wusste ich, dass der Tag der Abrechnung allzu wohlverdient war. Womit ich nicht rechnete, war die Bosheit und die Macht des Hexenweibs aus dem Verbotenen Turm. Hat mich mit einem Fluch belegt, die alte Vettel! So kann der arme Jacky nun niemals ordentlich sterben, muss immerzu verweilen. In seinen Rippen sitzt ein Drosselnest, Spinnen nisten in seiner Schädeldecke und der kommende Winter mag die letzten Bänder schließlich zermürben, auf dass Jacky hier oben nur noch ein Haufen loser Knochen ist. Kein schönes Dasein als Untoter – und dabei noch so grässlich einsam.«
»Klingt hardcore, Kumpel.«
»Ihr habt eine eigentümliche Art zu reden«, sagte der Leichnam und richtete das Loch, wo einmal sein linkes Ohr gesessen hatte, in Lees Richtung. »Ihr klingt weder nach einem Ritter noch nach einem Leibeigenen. Wer seid Ihr, Fremder?«
Lee grinste breit. »Ich glaube, hier in der Gegend nennt man mich den Castle Creeper.«
15
Um fünf Uhr morgens verließ der übliche Transporter das Lager, voll beladen. Jangler sah zu, wie er durch das Tor fuhr, und spähte dann in eine der Hütten. Wie erwartet, waren die Albträume der vergangenen Nacht besonders lebhaft und mächtig gewesen. Diesmal lagen einige der Betten umgeworfen auf dem Boden und doch waren die Kinder noch immer in dem unnatürlichen Schlaf, ausgelöst durch die Brückengeräte, gefangen.
Jangler schaute auf seine Uhr und sein Schnurrbärtchen zuckte. »Noch eine Stunde.«
Um sechs stand er auf dem Rasen und schüttelte seine Glocke. Unter Schmerzen ächzend kamen die Kinder zu sich. Jody war aus dem Bett gefallen und brüllte nun auf.
»Was geht hier nachts vor?«, wollte Maggie wütend wissen, während sie ihrer Freundin zurück aufs Bett half. »Diese Quasimodos werden doch nicht zu uns reinkommen und uns verprügeln, was glaubst du? Ich meine, wie auch, ohne dass wir aufwachen? Gestern haben sie uns nun wirklich keine Drogen untermischen können. Das macht doch alles keinen Sinn.«
»Wann hat denn das letzte Mal was Sinn gemacht?«, wandte Jody ein.
Maggie bemerkte, wie spät es war, und fluchte. Laut Dienstplan sollte sie in fünf Minuten in der Küche sein und sie wollte nicht riskieren, zu spät zu kommen. Schnell zog sie sich etwas über und eilte nach draußen.
Ein Punchinello wartete bereits auf sie. Mit einem Speer über den Knien kauerte er auf einer der Arbeitsplatten. Eine Dreizehnjährige namens Esther, aus einer der anderen Hütten, war ebenfalls für den Küchendienst eingeteilt. Als Maggie ankam, war sie schon dort und hatte eindeutig Angst, mit dem Ungeheuer allein in einem Raum zu sein. Nervös ließ sie immerzu ihre Knöchel knacken.
»Sollen wir für alle Frühstück machen?«, wollte Maggie wissen. »Das ist sexistisch, aber echt!«
Der Punchinello leckte sich über die Zähne. »Ja, ihr kochen. Ihr macht das.«
»Aber die Speisekammer ist völlig leer«, entgegnete Maggie. Der Wächter deutete mit dem Speer auf die Tür. »Falsch. Essen. Da drin.«
Maggie ging nachsehen. Acht große Plastikcontainer waren angeliefert worden.
»Genug für ganze Woche«, sagte die Kreatur.
»Keine Ahnung, warum man mich in die Küche gesteckt hat«, grummelte Maggie. »Nur weil ich gerne futtere, bin ich noch lange kein Jamie Oliver. Ich kann Spiegeleier braten und komme mit einer Mikrowelle klar, aber das war’s dann auch.«
»Zweiundzwanzigmal Frühstück bekommen wir schon hin«, meinte Esther voller Optimismus, sich nur allzu bewusst, dass die Augen des Wächters sich zu argwöhnischen Schlitzen verengt und sein Mund sich nach unten verzogen hatten. »Und wenn es Cornflakes und Toastbrot gibt, wird das ein Kinderspiel. Um Mittag- und Abendessen machen wir uns hinterher Gedanken. Wir schaffen das.«
Sie öffneten den nächstbesten Container. »Das muss ein Irrtum sein«, sagte Maggie.
Sie öffneten den nächsten und den übernächsten. Dann eilte Maggie zurück in die Küche, wo sich der wachhabende Punchinello bereits schlapplachte.
»Was soll das?«, fragte Maggie. »Wo ist das Essen? In den Kisten sind lauter Abfälle, alte Schalen und Kohlblätter.«
»Ist gut, ja?«
»Wir können das nicht essen!«
»Kommt
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