Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
sich, er könnte ihn anzünden. Im Bett nebenan rührte sich Marcus.
»Wer zieht jetzt ’nen Zickenkrieg ab?«, fragte der Junge aus Manchester mit einem frechen Grinsen.
»Klappe, Clearasil-Kopf.«
»Dabei habt ihr beide recht«, meinte Marcus und drehte sich um. »Und liegt auch beide voll daneben. Aus Janglers Hütte was zu klauen, ist ’ne bescheuerte Idee. Von hier abzuhauen, allerdings nicht. Ich werde türmen, so schnell es geht.«
»Dann endest du als Leiche.«
»Nicht, wenn ich’s clever anstelle.«
»Dann endest du definitiv als Leiche.«
Spencer saß auf der Veranda, als das Licht ausging. Hastig sprang er auf und öffnete die Tür, spähte aber noch einmal zu dem hölzernen Rutschenturm. Auf der Plattform war ein Punchinello postiert. Er kicherte und summte vor sich hin, sein hässliches Gesicht erleuchtet von flackerndem Licht. Spencer hörte leise, vertraute Klänge und begriff, dass das Ungetüm seinen tragbaren Mediaplayer in den riesigen Händen hielt und einen seiner Western anguckte.
»Cat Ballou …«, gluckste der Wächter die Titelmelodie mit. »Cat Ballooohooohooo.«
Spencer hatte den Film ungefähr ein Dutzend Mal gesehen. Es war eine der wenigen Westernkomödien, die er mochte, mit einem grandiosen Lee Marvin in einer Doppelrolle: einmal als abgehalfterter und versoffener Revolverheld und dann als durchtriebener Söldner mit einer falschen Silbernase. Spencer fand es unerträglich, dass sich der widerliche Kobold seine Sammlung ansah, und verstand nicht, warum es das Monster überhaupt interessierte. Das Ganze kam Spencer merkwürdig und irgendwie unheimlich vor. Vielleicht durchstöberten der Widerling und seine Kumpane auch ihre Handys, lasen ihre SMS und brüteten über ihren Fotos.
»Du da!«, kreischte ihn jemand aus der Dunkelheit an. »Rein in Hütte!« Ein zweiter Wachtposten kam aus der Nacht auf ihn zugewatschelt, einen Speer in der Hand.
Schnell gehorchte Spencer und trat die Tür hinter sich zu.
In der pechschwarzen Finsternis ihrer Hütte tuschelten Maggie und Jody, um Christina nicht zu wecken, die im Bett zwischen ihnen schlief.
»Was du da vorhin gesagt hast, das hast du nicht ernst gemeint, oder?«, wollte Maggie wissen.
»Du hast doch gesehen, wie sie uns behandeln. Wie kannst du was anderes glauben?«
»So weit wird es nie kommen.«
»Ich wette, das hat auch jeder andere gedacht, bevor es ihm passiert ist, bevor sie ihn ermordet haben. ›Dann gebt ihnen doch Kuchen!‹, richtig?«
»Sag so was nicht!«
»Was? Ermordet?«
»Nein, Kuchen.«
Eine kurze Pause entstand, in der man nur das leise Atmen der Schlafenden hörte.
»Was mich interessiert«, murmelte Jody schließlich, »ist, wozu die beiden Lkws gut waren. Wer oder was will das ganze schleimige Minchetzeug?«
Maggie schwieg und nach einer Weile begriff Jody, dass sie eingeschlafen war. Jody jedoch lag noch mehrere Stunden wach und dachte nach.
Um Mitternacht fing das alte Radio an zu summen und ein weiteres Lied aus den Dreißigern tönte knisternd durchs Camp …
Am nächsten Morgen herrschte in den Hütten einmal mehr heilloses Chaos. Als die Glocke des Janglers ertönte, rauften sich die Kinder vom Fußboden auf, erneut übersät mit schmerzhaften Prellungen.
Maggie lief zum Hauptgebäude. Neben dem Eingang stand eine Plastiktüte. Neugierig hob sie sie hoch und lugte hinein. Darin waren lauter Äpfel, fast zwei Dutzend frische, rotbackige Äpfel – praller und roter und glänzender als alle, die Maggie je gesehen hatte. Der Duft, den sie verströmten, war intensiv, süß und köstlich.
Maggie stieß einen überraschten Schrei aus und blickte sich dann erschrocken um. Der Wächter im Turm stierte sie misstrauisch an. Die Tüte fest an sich gedrückt, schubste sie die Tür auf und eilte zur Küche. Unterwegs versteckte sie ihren wertvollen Fund unter einem Stuhl im Speisesaal. Sie hatte keinen Schimmer, woher die Äpfel so plötzlich gekommen waren, aber sie war sich sicher, dass sie verboten waren.
Derselbe Punchinello wie am Tag zuvor wartete schon ungeduldig auf sie und wollte seine Würschtlchen.
Während Maggie sich an die Zubereitung der Morgensuppe machte, hatte Charm das Bad in ihrer Hütte ergattert. Als sie ihr zerkratztes, müdes Gesicht im Spiegel betrachtete, erkannte sie sich kaum wieder und badete in tränenreichem Selbstmitleid.
»Beeil dich!«, riefen die anderen Mädchen vor der Tür.
Charm erinnerte sich an das, was Lee gesagt hatte, und sah ein, dass
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