Dancing Jax - 02 - Zwischenspiel
hatte.
Ihm gegenüber am Tisch saß sein Bruder Rufus und sah ihm ungeduldig zu. Er war mit seiner Rübe schon eine ganze Weile fertig.
»Beeil dich!«, drängte der ältere Bruder. »Wir verpassen noch das große Feuer und alles!«
»Räumt mir ja die ganzen Schnitzel und Brocken vom Tisch!«, ermahnte sie die Mutter, die eben mit einem Stapel Feuerholz in die kleine Küche eilte. »Legt sie in den Kessel für den Eintopf morgen, und wenn ihr später heimkommt, dann werft die Reste eurer Laternen in den Schweinetrog. Schmeißt sie mir ja nicht unterwegs fort, das wäre die reinste Verschwendung!«
Rufus versprach es ihr, doch Tully gab keine Antwort. Den Mund zu ritzen, war eine knifflige Angelegenheit. Er verpasste der Rübe ein breites Grinsen, dann lehnte er sich zurück und begutachtete sein Werk.
»Wo ist denn die Nase?« Rufus lachte. »Dein Rübenjack braucht doch eine Nase!«
»Ich will aber nicht, dass er eine hat«, erwiderte Tully.
»Und nur zwei Dreiecke als Augen«, tadelte die Mutter. »Wo soll das noch hinführen?«
»Eine Nase sollte er schon haben«, piepste ein schläfriges Stimmchen von der Bank neben dem Feuer.
»Da hörst du’s!«, sagte Rufus. »Großvater meint das auch! Und er ist schon fast siebzig und der älteste Mensch in ganz Mooncaster, also muss er es ja wissen. Er hat schon viel mehr Rübenjacks zur Geisternacht gesehen als du oder ich.«
»Oder ich«, fügte ihre Mutter hinzu.
»Pog ist aber ohne Nase viel grauenhafter«, erklärte Tully entschlossen.
»Pog heißt er also, was?« Der alte Mann am Feuer gluckste. »Schrulliges Kerlchen.« Er kramte in den Taschen seines Wamses und hielt dem Jungen zwei Kerzenstummel hin. »Hier, nimm das für Pog und gib das deinem Bruder für …«
»Wet the Bed Walter heißt meiner«, teilte Rufus ihnen kichernd mit.
»Pog sagt Danke.« Tully nahm seinem Großvater die Kerzenstummel ab.
»Hab sie von Malinda höchstpersönlich bekommen«, erzählte der Alte und zwinkerte seiner Tochter zu. »Müssen was ganz Besonderes sein, will ich meinen.«
Tully blieb vor Staunen der Mund offen stehen. Er hielt seinen Kerzenstummel über das Binsenlicht, das er zum Arbeiten angezündet hatte, dann ließ er eine kleine Pfütze aus heißem Wachs in die leere Rübe tropfen und drückte den Stummel hinein.
»Hier, zieht euch warm an.« Die Mutter legte ihren Söhnen die Kapuzenumhänge um die Schultern, knotete sie zu und setzte jedem der Jungen einen Filzhut über ihre Hauben. »Vom Teich steigt Nebel auf. Und jetzt beeilt euch! Wenn ihr weiter so trödelt, versäumt ihr noch den Feuertanz.«
Tully war beinahe fertig. Er fädelte eine Schnur durch beide Seiten von Pogs Kopf und anschließend durch das abgeschnittene obere Stück, das als Deckel diente. Dann nahm er das Binsenlicht aus dem Metallhalter und hielt die Flamme durch eins der dreieckigen Augen.
»Komm schon, Pog«, beschwor er ihn leise, voller Erwartung. »Komm, wach auf, werd lebendig. Sei mein Hüter auf dem Weg heute Nacht. Bewahre mich vor Unholden und Hexen, solange du brennst.«
Die Kerze im Innern der Rübe erwachte knisternd und züngelte in leuchtendem Gelb. Der Schein drang durch die Augen, den Mund und den Schlitz im Deckel, den Tully als eine Art Schornstein hineingeschnitten hatte. Sanft schimmerte er durch das Fruchtfleisch.
»Sei mir gegrüßt, Pog!«, flötete Tully. »Sei von Herzen willkommen in unserem Heim. Das hier ist meine Mutter. Das da mein Bruder, er ist neun. Und dahinten ist mein Großvater – er hat schon achtundsechzig Geisternächte miterlebt, bestimmt hast du ihn also schon mal gesehen. Ich bin Tully. Nächsten Frühling werde ich acht.«
Ein kleines Rauchsäulchen schlingerte in die Höhe.
»Schaut!«, rief er seiner Familie zu. »Er freut sich sehr, uns kennenzulernen.«
»Du bist ein Mondkalb!«, schnaubte Rufus und zündete seinen Wet the Bed Walter an.
»Törichtes Kind«, gluckste die Mutter. »Überlass magische Beschwörungen und Zaubersprüche den guten Feen, Hofmagiern und bösen Hexen. In unserem kleinen Häuschen wollen wir damit nichts zu schaffen haben. Und jetzt lasst uns aufbrechen, wir wollen euren Vater oben am Hügel treffen.«
Die Jungen nahmen ihre Rübenlaternen an den Trageschnüren, rannten zu ihrem Großvater, um ihm einen Abschiedskuss aufzudrücken, und eilten dann aus der Küche.
»Vergiss nicht, die Tür abzuschließen«, ermahnte die Frau den Alten. »Wenn fast das ganze Dorf oben am Feuer ist, hätte jeder
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