Danger - Das Gebot der Rache
Vorstellung zu gewöhnen, dass ich ein freier Mann bin.«
Daran werde ich mich nie gewöhnen.
»Warum sollte das einen Unterschied machen?«
»Weil ich mich verändert habe, Livvie. Ich habe viel Zeit allein verbracht, die ich zum Lesen genutzt habe, zum Nachdenken, sogar zum Philosophieren. Ich habe Jesus in mein Leben gelassen, in mein Herz, und ich habe nicht nur meine Strafe der Gesellschaft gegenüber verbüßt, sondern meine Sünden bereut und Jesus Christus zu meinem persönlichen Retter erklärt.«
»Das ist gut …« Olivia wickelte sich das Telefonkabel um einen Finger und wünschte, sie würde einen Weg finden, das Gespräch zu beenden. Sie brauchte keinen Vater, und schon gar nicht einen wie Reggie Benchet.
»Da kannst du sicher sein. Und ich habe vor, mich zu beweisen.«
»Wie das?«
»Indem ich unserem Herrn diene. Sein Wort verbreite. Ich bin ein Geistlicher geworden, Livvie, und nun ist es an der Zeit, meine Tochter zu besuchen. Du bist das einzige Kind, das mir geblieben ist. Die anderen habe ich verloren. Wenn ein Mann so viel Zeit im Gefängnis verbracht hat wie ich, begreift er, was wichtig ist in seinem Leben. Und das ist die Familie, Olivia. Die Familie und Gott.«
»Ich glaube nicht, dass ich dazu bereit bin«, sagte sie. »Genau genommen
weiß
ich sogar, dass ich es nicht bin.«
»Denk darüber nach.«
»Das mache ich«, log sie.
»Gott sei mit dir, Livvie.« Er legte auf, bevor sie es tat. Olivia schloss für eine Sekunde die Augen.
Er ist dein Vater,
drängte ihr Gewissen, aber sie schüttelte den Gedanken ab. »Er ist mein Erzeuger und kein bisschen mehr.«
Aber er hat sich verändert. Hat ein neues Kapitel in seinem Leben aufgeschlagen.
Das glaubte sie nicht. Was sie über Reggie Benchet gehört hatte, hatte sie gelehrt, dass er ein erstklassiger Schwindler war, jemand, der einem das Blaue vom Himmel herunterreden konnte. Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben.
Und was ist, wenn er krank wird oder kein Geld hat … was dann? Du bist sein Fleisch und Blut. Sein einziges Kind.
Olivia entschied, dass sie Hilfe brauchte, um mit alldem zurechtzukommen. Sie überprüfte die Türen, griff nach ihrer Handtasche, zog die Brieftasche heraus und entnahm ihr die Karte, die Vater James McClaren ihr in der St.‑Lukas-Kathedrale in die Hand gedrückt hatte.
»Das ist eine Überraschung«, sagte James, als er von seinem Schreibtisch aufblickte, und seine Worte klangen aufrichtig. Die Sekretärin hatte schon Feierabend gemacht, genau wie Vater Roy. Und nun stand ihm Olivia Benchet erneut gegenüber, die schöne Frau mit dem ungebändigten Haar und den rätselhaften Augen. In den vergangenen Tagen hatte er mehr als einmal an sie gedacht. Öfter, als er es hätte tun dürfen. Seine Gedanken waren keinesweg lauterer Natur gewesen – nein, weit davon entfernt. Aber das war sein ganz persönliches Kreuz, das er zu tragen hatte, die Dämonen, gegen die er ankämpfen musste.
»Ich möchte mit jemandem reden«, sagte sie und blieb abwartend in der Tür stehen.
»Kommen Sie herein … bitte …« Er stand auf und deutete auf einen der beiden Holzstühle, die auf der anderen Seite seines Schreibtisches standen. Die Sitzflächen und Rückenlehnen waren blank poliert von den Besuchern, die dort seit fünfzig Jahren ihre Sorgen, Probleme oder Missetaten loswurden. »Sie sind also gekommen, um mit mir zu sprechen?«
»Ja.«
»Als Priester?«
Zögernd nahm sie Platz, und er bemerkte den Schwung ihrer Wade unter dem Schlitz ihres Rockes. Schnell blickte er zur Seite, zum Fenster und auf die nackten Zweige der Eiche, die im bläulichen Licht einer Straßenlaterne schimmerten. Eine Krähe saß auf einem der niedrigeren Äste, den Kopf unter den Flügel gesteckt. »Tja … Ich habe seit Jahren keine Messe mehr besucht.«
»Vielleicht ist das das Problem.« James lächelte sie an und stellte fest, dass ihre Mundwinkel zuckten.
»Nun, das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs.«
»Was ist los, Olivia?«
Wieder dieses Zögern. Sie biss sich auf die Unterlippe, als würde sie überlegen, wie viel sie ihm anvertrauen sollte. »Ich sollte wohl mit meiner Familie beginnen«, sagte sie schließlich und blickte ihn an. »Aber das allein könnte Tage dauern.«
»Warum fangen Sie nicht einfach an, und dann sehen wir, wohin es uns führt und wie lange es tatsächlich dauert? Ich habe die ganze Nacht Zeit.«
»Selbst Männer Gottes brauchen Schlaf«, entgegnete sie lächelnd.
»Was bedrückt
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