Daniel Briester - Friedemann, A: Daniel Briester
müssen, sagte er sich.
Kalte, nach Desinfektionsmittel riechende Luft empfing ihn. Seine Schritte hallten auf dem Steinboden wieder. Eine Metalltür knallte irgendwo zu und er zuckte zusammen. Drei Schleusen passierte er, bevor er den karg eingerichteten Raum betrat. Sandra stand am Fenster, drehte sich zu ihm um. Sie sah blass, weiß aus. Die blauen Augen wirkten irgendwie verhangen.
„Ich will Volker …, ihn noch einmal sehen“, kam es leise aus ihr heraus.
„Ja, ich weiß. Doktor Richter wird Sie gleich holen. Wollen Sie sich das antun?“
„Ich muss … will ihn noch … sehen. Es ist so …“
Sie brach ab, drehte sich wieder zum Fenster um. Daniel sah ihre Schul- tern zittern und trat hinter sie, umfasste vorsichtig diese.
„Musste er leiden?“
„Nein“, log er. „Er wollte ohne sie nicht leben.“
„Woher weißt du das?“
Diese Frau war das Letzte, dachte er, fühlte wie Zorn in ihm empor- loderte. Selbst jetzt war sie von Hass zerfressen.
„Weil er es mir geschrieben hat. Er wusste, dass er heute oder morgen entlassen worden wäre, aber …“
„Waaass?“ Verdammt, warum wusste sie nichts davon? Was hatte das zu bedeuten?
„Hat es Ihnen Herr Keitler oder Ihre Mutter nicht gesagt? Wir wollten heute mit dem Staatsanwalt sprechen.“
Eine Weile herrschte nur Stille im Raum.
„Jetzt habt ihr den Fall ja abgeschlossen. Wieso wusste das die Alte?“
„Erst dann, wenn wir den Mörder von Frau Gallert haben, und reden Sie nicht so respektlos von Ihrer Mutter. Sie hat Volker besucht.“
„Die war bei Volker?“
„Frau Larsen, hören Sie auf! Sie sind krank. Diese Frau wurde bestialisch ermordet. Sie ist bestimmt an nichts Schuld“, meckerte er sie grob an. Ihr Gerede war so was von widerlich „Was …“
Die Tür öffnete sich und eine junge Frau sah ihn an. „Hauptkommissar Briester?“
„Ja!“
„Kommen Sie und Frau Larsen bitte. Doktor Richter erwartet Sie.“
Sie folgten ihr in einen weiteren Raum. Es war kühl und die Einrichtung, in einem metallischen Grau, verstärkte das Kältegefühl noch. Gleißendes Licht an der Decke, dass jedoch von der Frau etwas gemildert wurde.
Der Gerichtsmediziner trat auf Sandra zu.
„Wollen Sie das wirklich, Frau Larsen? Vermutlich ist es besser, wenn man den geliebten Menschen so in Erinnerung behält, wie sie zu Leb- zeiten waren.“
„Ich möchte meinen … Bruder … sehen.“
Der Mann schaute zu Daniel, der nur nickte.
„Also gut“, seufzte der Pathologe auf, drehte sich zu einer Bahre um. Man erkannte, dass etwas unter dem weißen Tuch lag. Sandra fühlte wie sie zitterte, trat aber zwei Schritte näher. Daniel stellte sich hinter sie, nickte nochmals zu dem Mann hinüber, der das Tuch langsam entfernte. Sandra schaute zu Volker, wollte zu ihm, ihn berühren, aber es ver- schwamm vor ihren Augen. Ein leichtes Röcheln kam aus ihrem Mund, dann ein Schrei und dann wurde es vor ihren Augen schwarz.
Daniel fing sie auf, nahm sie auf den Arm. „Ich bringe sie zunächst in den Warteraum.“
„Der Bericht ist fertig. Tod durch Strangulation. Keine Hinweise auf Fremdeinwirkung. Keine Besonderheiten.“
„Hol ich später.“
Er trug sie den Flur entlang, setzte Sandra auf einen Sessel, holte einen Pappbecher mit Wasser. Sie bewegte sich, sah ihn an, ohne ihn zu sehen.
„Trinken Sie, das wird Ihnen guttun.“
Hastig kippte sie das Wasser hinunter und er bemerkte wie ihre Hand zitterte. Plötzlich ließ sie den Becher fallen, begann zu weinen, heftig, laut schluchzend. Er beugte sich vor, legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Ich fahre Sie nach Hause, Frau Larsen.“
Sie nickte, weiter weinend. Er zog sie hoch, umfasste ihre Taille und verließ mit ihr das Gebäude.
Auf der Rücktour sprach keiner ein Wort. Sandra saß wie nicht anwesend in seinem Wagen. Er blickte bisweilen kurz zu ihr hinüber.
In ihrer Wohnung führte er sie zur Couch, warf ein paar Kleidungsstücke an die Seite und holte ihr ein Glas Saft. „Sie sollten sich hinlegen. Soll ich einen Arzt rufen?“
Sie schüttelte nur den Kopf.
„Soll ich jemanden anrufen, eine Freundin, Ihre Mutter?“
Wieder schüttelte sie nur den Kopf.
„Frau Larsen, Sie sollten nicht allein bleiben.“
Sie antwortete nicht und er war ein wenig ratlos, was er machen sollte. Anscheinend hatte sie einen Schock. Man konnte sie in dem Zustand nicht allein lassen. Er erhob sich, rief Claus Keitler an, um ihn um Rat zu fragen. Schließlich kannte der Mann sie besser als er. Während er telefonierte, sah er wieder
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