Daniel Taylor und das dunkle Erbe
Sie zitterte leicht und gab einen quiekenden Laut von sich, als ein schwarzer Kater um ihre Beine strich, zu dem sich eine getigerte Katze hinzugesellte.
»Tom und Kitty«, sagte Daniel schnell, der Vanessas Angst beinahe riechen konnte. Plötzlich kam er sich schäbig vor, weil er sie dermaßen erschreckt hatte. Manchmal glaubte er, es lebten zwei verschiedene Daniels in ihm: einer, der die Welt verbessern, und ein anderer, der sich am Elend anderer ergötzen wollte.
Er beugte sich hinunter, ohne Nessa loszulassen, um einer der Katzen mit einer Hand unter den Bauch zu greifen. Dann hob er sie hoch – es war die schwarze – und drückte sie Vanessa in die Arme.
»Du bist so ein Idiot«, zischte sie.
Daniel spürte, dass sie es nicht so meinte. Ihre Mundwinkel umspielte ein Lächeln, als sie dem Tier durch das seidige Fell strich. »Und der Süße heißt wirklich Tom?«
»Keine Ahnung, die Namen hatte ich erfunden.« Aufatmend sah sich Daniel um. Das rechteckige Wohnzimmer war sehr spartanisch eingerichtet. Diese Edna war wohl nicht gerade reich. Die alten Möbel verströmten einen muffigen Geruch, doch das fand Daniel weniger schlimm als den Gestank von Rebeccas aromatisierten Räucherstäbchen.
Vanessa setzte die Katze wieder ab und sagte: »Jetzt aber wirklich raus hier!« Die Augen des Stubentigers reflektierten das schwache Licht und schickten weitere Schauder über Vanessas Haut. Beinahe erwartete sie wirklich, dass sich der alte Joe wie aus dem Nichts vor ihr materialisierte. Bei dieser Vorstellung stürzte sie so fluchtartig aus dem Raum, dass sie frontal gegen den Türrahmen lief. »Scheiße!«, schrie sie und hielt sich die Stirn. Verdammt, tat das weh! Danny hielt sie nun erst recht für einen Trampel.
Der Schmerz ließ sie jedoch ihre Angst vergessen.
»Lass mal sehen!« Danny nahm ihre Wangen zwischen seine Hände und drehte ihren Kopf hin und her. Obwohl sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie fast nichts erkennen. Jetzt tu nicht so, als würdest du meine Beule sehen , dachte sie, aber Nessa fand es sehr lieb, wie er sich um sie kümmerte. Mit den Daumen wischte er ihre Tränen weg, die unaufhaltsam aus ihr hervorquollen, weil sie sich einerseits für ihre Dummheit schämte und sich andererseits der Schmerz gerade in Wut verwandelte. Sie hätten nie bei dieser dummen Sache mitmachen sollen, doch irgendwie verstand sie Daniel. Es musste furchtbar sein, nicht akzeptiert zu werden. Erleichterung durchflutete sie, als Danny ihr auf die pochende Stelle pustete und sie wieder in den Arm nahm. Vielleicht endete der Abend doch noch ganz schön.
»Da sollte Eis drauf«, schlug er vor.
»So verheult, wie ich bin, gehe ich sicher nicht rüber zur Party. Die denken sonst alle, ich hätte mir vor Angst in die Hosen gemacht«, murmelte sie an seiner Schulter.
»Du hast ein Kleid an.«
»Blödmann.« Vanessa kuschelte sich an seinen Hals, wo er einfach himmlisch roch. Sie liebte es, sich mit ihm zu zanken; noch mehr liebte sie es, in seinen Armen zu liegen. Daran könnte sie sich gewöhnen.
»Blödmann? Wird das mein neuer Kosename? Da fand ich Danny aber wesentlich besser.«
»Ach, ich meine es doch nicht so.« Im Moment genoss sie es einfach, ihm so nah zu sein.
»Schon klar«, murmelte er in ihr Haar, bevor er sich leider viel zu schnell von ihr löste. »Lassen wir die anderen noch ein wenig schmoren. Edna hat bestimmt auch Eis in ihrem Keller.«
»Ich weiß nicht.« Nessa zögerte, aber dann ließ sie sich von Daniel zu den Treppen leiten, die unter die Erde führten.
»Warte hier«, sagte er.
Vanessa erstarrte. »Ich bleib sicher nicht allein hier oben, ich komme mit.«
»Okay.« Danny nahm sie an der Hand und gemeinsam stiegen sie die Wendeltreppe nach unten. Als Vanessa wieder sicheren Boden unter den Füßen spürte, tastete sie an der Wand nach dem Lichtschalter, denn diese unheimliche Dunkelheit machte sie nervös. Sie glaubte ja nicht an Spukgeschichten, aber heute war Halloween – das färbte auch auf sie ab.
»Verflucht, Nessa!«, rief Daniel und hielt sich die Hand vor die Augen, als das Licht aufflammte.
»Ich bin mir sicher, dass man von außen nichts erkennen kann, schließlich hat der Keller keine Fenster.« Sie konnte sich seine heftige Reaktion nicht erklären.
»Das ist es nicht, es blendet mich!« Er rieb sich über die Schläfen, seine Augen hatte er zusammengekniffen.
Vanessa wunderte sich, denn die alte Glühbirne spendete ein eher mattes Licht.
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