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Danielle Steel

Danielle Steel

Titel: Danielle Steel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traumvogel
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sie, half ihnen beim Essen und Trinken. Sie lauschte unzähligen schrecklichen Erzählungen. Wenn Andy sie anrief, bemühte sie sich stets um einen unbefangenen Ton. Sie wollte ihm nicht au sgerechnet am Telef on mitteilen, dass Joe lebte. Aber sie wusste ohnehin kaum, worüber sie mit ihm sprechen sollte. Sie hatte all ihre Kraft aufgewandt, sich einzureden, dass sie in Andy verliebt war. Vielleicht wäre es tatsächlich eines Tages Wirklichkeit geworden. Doch nun, da Joe bald nach Hause zurückkehren würde, konnte sie kaum noch ein Wort mit Andy wechseln. Aber sie wollte ihm nicht seine Reise verderben, also wartete sie auf seine Rückkehr, um ih m die Nachricht persönlich zu überbringen.
    An dem Ta g, als Joes Schiff einlaufen sollte, ging Kate schon um fünf Uhr m orgens aus dem Haus. Das Schiff wurde gegen sechs Uhr erwartet, es hatte in der Nacht vor der Küste geankert und sollte am Morgen in den Hafen gelotst werden.
    Kate trug eine saubere Uniform. Ihre Hände zitte rten, als sie ihre Haube aufsetzte. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es sein würde, Joe endlich wieder zu sehen; es war wie ein Traum. Mit der Straßenbahn fuhr sie zum Hafen, meldete sich bei ihrer Vorgesetzten und überprüfte die Vorräte. Siebenhundert verwundete Männer befanden sich auf dem Schiff, es war eines der ersten, die direkt aus Deutschland eintrafen. Die anderen waren aus England und Frankreich gekommen. Krankenwagen und Militärfahrzeuge warteten bereits in einer langen Reihe. Sie würden die Verwundeten in die Militärkrankenhäuser im Umkreis von mehreren hundert Meilen bringen.
    Kate hatte keine Ahnung, wohin man Joe bringen würde. Doch sie wollte ihn auf jeden Fall begleiten. Während der
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vergangenen Wochen war es nicht möglich gewesen, ihn in Deutschland zu erreichen. Man hatte ihr gesagt, dass auch ein Brief wahrscheinlich nicht re chtzeitig dort eintreffen würde. Seit beinahe zwei Jahren hatte sie keinerlei Kontakt mehr zu ihm gehabt.
    Langsam lief das Schiff ein. Di e Decks waren voller Männer, die an Krücken gingen und Verbände trugen. Sie riefen, pfiffen und winkten, lange bevor das Schiff anlegte.
    Ähnliche Szenen hatte Kate schon häufig gesehen, doch jedes Mal traten ihr wieder die Tränen in die Augen. Diesmal senkte sie jedoch nicht die Lider, sondern beobachtete die Männer aufmerksam. Sie strengte ihre Augen an und suchte die Reihen nach Joe ab, doch sie bezweifelte, dass er überhaupt in der Lage war, auf eigenen Beinen zu stehen. Die Informationen über seinen Zustand deuteten vielmehr darauf hin, dass er zu den Männern gehörte, die auf Tragen transportiert werden mussten. Kate hatte ihre Vorgesetzte um Erlaubnis gebeten, an Bord gehen zu dürfen.
    »Ist an Bord jemand, den Sie kennen?«
    Normalerweise warteten die F reiwilligen an Land auf die Männer, nur selten gingen sie selbst an Bord, um mit anzupacken. Doch die pensionierte Schwester, die für die freiwilligen Helf er zuständig war, bemerkte Kates Verzweiflung.
    »Ich … mein … mein Verlobter ist an Bord«, stotterte Kate schließlich. Es wäre viel zu kompliziert gewesen zu erklären, was während der letzten zwei Jahre geschehen war. Die diplomatische Lüge kam ihr daher leicht über die Lippen. »Wie lange haben Sie ihn denn nicht mehr gesehen?«, fragte die Schwester, während sie ge meinsam beobachteten, wie das Schiff näher kam. Sie hatte Kate die Erlaubnis bereits erteilt. »Einundzwanzig Monate.«
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Die Schwester blickte die junge Frau mit den dunkelblauen Augen aufmerksam an.
    »Bis vor drei Wochen glaubten wir noch, er sei tot.«
    Die Ältere konnte gut verstehen, was das für Kate bedeutete. Sie selbst war ebenfalls durch die Hölle gegangen. Der Krieg hatte sie zur Witwe gemacht, und sie hatte drei Söhne verloren. »Wo hat man ihn denn gefunden?«, fragte sie und hoffte, Kate ein wenig abzulenken. Das arme Mädchen schien jeden Augenblick zusammenzubrechen.
    »In Deutschland. Im Gefängnis «, antwortete Kate nüchtern. Die Schwester konnte nur vermuten, was man dort mit Joe angestellt hatte.
    »Er wurde während eines Luftangriffs abgeschossen.« Auch Kate hatte noch keine Vorstellung von den Verletzungen, die Joe erlitten hatte. Sie war einfach dankbar, dass er lebte.
    Es dauerte noch über eine Stunde, bis das Schiff endlich angelegt hatte. Dann kamen die Männer einer nach dem anderen an Land. Die Menschen jubelten und weinten, zahllose herzzerreißende Szenen spielten sich vor aller Augen ab. Diesmal

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