Danielle Steel
machen, besonders, wenn Kate ihn heiratete, um ihren Eltern einen Gefallen zu tun. Sie würde daran zerbrechen. Früher oder später würde die Verzweiflung die Oberhand gewinnen. Da wäre es schon besser, Kate bliebe allein, wie nett Andy auch immer sein mochte. »Lass sie einfach in Ruhe. Sie werden schon herausfinden, was das Richtige ist«, beharrte er. Elizabeth schüttelte verständnislos den Kopf. »Sie sollten heiraten und Kinder bekommen, Clarke. Was soll Kate denn tun, wenn sie im Juni m it dem College fertig ist?«
Eine Hochzeit und Ki nder al s eine Art Therapie – das gefiel Clarke überhaupt nicht. »Mir wäre es lieber, wenn sie sich eine Stellung sucht, als dass sie den falschen Mann heiratet.« Er ließ sich nicht beirren.
»Andy Scott ist doch perfekt!« Elizabeth verstand ihren Mann nicht mehr. Vielleicht hatte dies er Joe Allbright nicht nur Kate verrückt gemacht. Doch auch das änderte nichts daran, dass er nicht mehr zurückkehren würde. Kate musste ihr Leben auch ohne ihn weiterführen.
Unterdessen ging Kate weiterh in an jedem Wochenende m it Andy aus. Sie wollte so gern mehr für ihn empfinden, doch es gelang ihr einfach nicht.
Im Frühjahr wandte s ich die allgemeine Aufmerksamkeit erneut nach Europa, nach England, Frankreich und Deutschland. Das Blatt schien sich nun endlich zu wenden. US-amerikanische
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und britische Truppen entschieden im März die Schlacht um das Ruhrgebiet für sich, nachdem US-S treitkräfte bereits im Februar im Pazifik auf der japanischen Vulkan-Insel Iw o Jima gelandet waren. Im April fiel N ürnberg an die Alliierten, und zur selben Zeit erreichten die Russen die Randbezirke Berlins. Ende April wurden Mussolini und seine Minister hingerichtet. Am nächsten Tag kapitulierten die deutschen Truppen in Italien, zwei Wochen, nachdem Präsident Roosevelt gestorben war. Sein Nachfolger wurde Harry Truman. Am siebten Mai kapitulierte die deutsche Wehrmacht, und Präsident Truman erklärte den achten Mai zum Tag des Sieges in Europa.
Kate und Andy verschlangen förmlich die Nachrichten und diskutierten stundenlang darüber. Der Krieg hatte für Kate eine völlig andere Bedeutung als für viele andere junge Frauen. Die anderen beteten nun atemlos um die Rückkehr ihrer Männer. Sie hatte dagegen bereits einen hohen Preis gezahlt: Joe war vor beinahe zwei Jahren abgeschossen worden. Kate hatte inzwischen die Hoffnung aufgegeb en, dass er nach Kriegsende wieder auftauchen würde. Seit siebzehn Monaten war er nun fort, und alle, die ihn kannten, hatten sich mit seinem Tod abgefunden. Seine Akte war bereits geschlossen, doch seine Flugrekorde waren immer noch nicht übertroffen worden. Daran würde sich für lange Zeit nichts ändern.
Kate besuchte gerade eine Vorlesun g, als die Nachricht vom Tag des Sieges in Europa die Runde machte. Eine der Lehrerinnen betrat den Raum. Tränen strömten über ihre Wangen. Drei Jahre zuvor war ihr Ehemann in Frankreich gefallen. Alle Mädchen standen auf und fielen einander jubelnd in die Arme. Es war vorbei … zu Ende … geschafft! Endlich würden die Jungs nach Hause zurückkehren! Nun musste nur noch der Sieg über Japan errungen werden, doch alle waren davon überzeugt, das auch dies nicht mehr lange auf sich warten ließe.
Am selben Nachm ittag besuchte Kate ihre Eltern. Ihr Vater
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war außer sich vor Freude. Vater und Tochter sprachen lange und ausführlich über die Ereignisse, und Clarke entging der traurige Ausdruck in Kates A ugen nicht. Es war nicht zu übersehen, was ihr durch den Kopf ging, und mit Tränen in den Augen blickte sie ihn an.
Clarke nahm ihre Hand. »Es tut mir so Leid, dass er es nicht geschafft hat, Kate.«
Kate nickte. Energisch wischte sie sich die Tränen von den Wangen.
Kurz darauf kehrte sie ins Wohnheim zurück, legte sich auf ihr Bett und dachte an Joe. Er war in der Nähe, ganz nah bei ihr, das spürte sie.
Eine ihrer Kommilitoninnen klopfte an und sagte, dass Andy am Telef on sei. Kate bat sie, ihm auszurichten, dass sie nicht zu Hause sei. Sie konnte jetzt einfach nicht mit ihm sprechen.
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ie Abschlussfeier am College war im Vergleich zu dem
Sieg in Europa natürlich ein geradezu unbedeutendes Ereignis. Kate sah mit Hut und Talar bezaubernd aus, und ihre Eltern waren sehr stolz auf sie. Auch Andy war zu der Feier erschienen. Er hatte Kate gefragt, ob sie sich noch in dieser Woche verloben sollten, doch sie wollte no ch eine W eile warten. Andy würde im Sommer durch
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