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Danielle Steel

Danielle Steel

Titel: Danielle Steel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Traumvogel
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aber weinte Kate nicht mit den anderen. Sie weinte, weil sie nun endlich ihren geliebten Joe wieder sehen würde. Nach weiteren zwei Stunden konnte sie endlich an Bord gehen. Die Männer auf den Tragen waren bereits zum Abtransport vorbereitet. Kate war in Begleitung einiger Helfer, die die Männer von Bord bringen sollten. Um ein Ha ar hätte sie die Beherrschung verloren und sich durch die Menschen gedrängelt. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie sie Joe auf diesem großen Schiff f inden sollte. Sie b eobachtete, wie die Helf er und die Matrosen die Tragen über Leitern aus den Kabinen an Deck brachten. Vorsichtig bahnte sie sich ihren Weg durch die verletzten Männer. Der Geruch nach schwitzenden Körpern hing in der Luft, und Kate musste sich zwingen, den Brechreiz zu
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unterdrücken.
    Einige der Männer griffen nach ihr, versuchten, ihre Hände zu fassen und ihre Beine zu berühren. Immer wieder hielt sie an, um m it ihnen zu sprechen. Sie brachte es nicht über sich, einfach weiterzugehen. Sie achtete darauf, niemanden zu treten, und wieder blieb sie stehen, als ein Mann ohne Beine sich aufrichtete und ihre Hand ergriff. Er hatte nur noch ein halbes Gesicht, und Kate bemerkte an der Art und Weise, wie er den Kopf drehte, dass er auch das Sehvermögen seines verbliebenen Auges eingebüßt hatte. Er wollte mit ihr sprechen, ihr erzählen, wie glücklich er darüber war, wieder zu Hause zu sein. Sein Akzent verriet, dass er aus dem Süden stamm te.
    Kate beugte sich noch immer über ihn, als eine Hand sanft ihren Arm berührte. Sie wandte si ch um. Vielleicht brauchte jetzt ein anderer ihren Zuspruch.
    Und da sah sie ihn, ein breites Lächeln auf dem Gesicht. Es war schmal und bleich und von kleinen Narben gezeichnet, doch Kate erkannte ihn sofort. Sie fiel neben seiner Trage auf die Knie, und Joe richtete sich auf und schloss sie in seine Arme. Tränen strömten über seine Wangen und vermischten sich mit ihren. Er war es! Es war Joe!
    »O mein Gott …« Mehr brachte Kate nicht über die Lippen. »Hallo, Kate«, sagte Joe leise, mit zitternder, aber gleichwohl vertrauter Stimme. »Ich hab’s dir doch gesagt: Ich habe hundert Leben.«
    Kate schluchzte so heftig, dass sie nicht sprechen konnte. Joe wischte ihr mit seiner rauen Hand zärtlich die Tränen aus dem Gesicht. Er hatte viel an Gewicht verloren, und als Kate sich erhob, sah sie, dass beide Beine geschient waren. In Deutschland hatte man die Knochen gerichtet, doch die Ärzte wussten immer noch nicht, ob er jemals wieder würde laufen können. Joe hatte sich gleich zweimal die Beine gebrochen und außerdem einige Schussverle tzungen davongetragen, als er
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versucht hatte zu fliehen. Sein Leben hatte an einem seidenen Faden gehangen, doch er war zu ihr zurückgekehrt. Kate konnte sich nicht einmal ansatzweise vorstellen, was er durchgemacht hatte.
    »Ich habe nicht geglaubt, dass ich dich jemals wieder sehe«, sagte Joe sanft, während die Helfer ihn vom Schiff trugen. Kate lief neben ihm her und hielt seine Hand. Mit der anderen wischte er sich immer wieder die Tränen ab.
    »Ich auch nicht«, gab Kate zurück.
    Ihre Vorgesetzte beobachtete die Szene, und auch ihr kamen die Tränen. Tausende Male h atte sie Ähnliches gesehen, doch diesmal konnte sie sich nicht beherrschen, denn Kate war ihr richtig ans Herz gewachsen. Irgendjemand muss doch in diesem ganzen Elend Glück haben, sagte sie sich im Stillen. I n den vergangenen Jahren hatten sich wirklich genug Tragödien ereignet.
    »Da haben Sie Ihren Liebsten ja schon gefunden. W illkommen zu Hause, mein Junge!«, sagte sie und klopfte Joe auf die Schulter. Er hielt Kates Hand fest umklammert. »Wollen Sie ihn begleiten, Kate?«
    Joe wurde in ein Krankenhaus für Kriegsveteranen außerhalb von Boston gebracht. So konnte sie ihn problemlos besuchen. Das Blatt hatte sich doch noch gewendet. Was auch immer nun geschehen würde, Kate war sicher, dass sie für das Geschenk, dass Joe noch lebte, ewig dankbar sein würde.
    Sie kletterte in den Krankenwagen und setzte sich neben ihm auf den Boden. In ihrer Tasche hatte sie Schokolade, die sie extra f ür ihn einges teckt hatte. Al s der Wagen sich in Bewegung setzte, reichte sie ihm einen Riegel. In d em Transporter befanden sich noch drei weitere Verwundete, daher zog Kate noch mehr Schokolade aus ihrer Tasche und verteilte sie. Einer der Männer begann bitterlich zu weinen.
    Sie kamen alle aus Deutschland. Zwei von ihnen waren in
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