Danielle Steel
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Kriegsgefangenschaft geraten, und der dritte war bei dem Versuch, in die Schweiz zu entkommen, erwischt worden. Vier Monate lang hatte er im Gefängnis verbracht, dann war er sich selbst überlassen worden. Alle hatten entsetzlich gelitten, doch sie waren schließlich von deutschen Zivilisten g erettet worden. Joe hatte im Gefängnis so lange au sgeharrt, bis die Alliierten ihn endlich fanden.
»Geht’s dir gut?« Joe betracht ete Kate aufmerksam. Schon lange hatte er nicht mehr so etwas Schönes gesehen wie ihr Haar, ihre Haut und ihre Augen, und auch die anderen Männer konnten kaum den Blick von ihr wenden. Sie lagen auf den Bahren und starrten Kate an, während Joe ihre Hand hielt. »Es geht mir gut. Ich habe immer daran geglaubt, dass du noch lebst«, flüsterte sie. »Ich wusste einfach, dass du nicht tot warst, obwohl alle anderen das Gegenteil behaupteten.«
»Ich hoffe, du bist inzwischen nicht verheiratet«, lachte Joe. Kate schüttelte den Kopf. Aber wäre er etwas sp äter heimgekehrt, wäre es für sie beide vielleicht zu spät gewesen. »Und das College? Bist du inzwischen fertig?« Alles wollte er wissen, denn er hatte immerzu an sie gedacht. Jeden Abend hatte sein letzter Gedanke vor dem Einschlafen ihr gegolten, und immer wieder hatte er sich gefragt, ob er sie wohl jem als wieder sehen würde.
»Im Juni habe ich m einen Abschluss gemacht«, antwortete Kate. Nach einer so langen Zeit gab es viel zu erzählen. Achtzehn Monate waren nachzuholen, und das würde Zeit brauchen. »Ich arbeite jetzt als Freiwillige für das Rote Kreuz. « »Mach keine Witze!«, lachte Joe. Immer wieder küsste sie seine aufgesprungenen Lippen. Nichts war süßer als diese Küsse! »Und ich dachte, du wärst eine Krankenschwester.« Er hatte seinen Augen nicht getraut, als sie auf d em Schiff plötzlich neben ihm stand. Es hatte keine Möglichkeit gegeben, vor seiner Abreise aus Deutschland mit ihr Kontakt aufzunehmen. Es war
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nun ein großes Glück, dass man ihn nach Boston und nicht nach New York brachte. So konnte sie ihn immerhin jeden Tag besuchen.
Kate blieb noch e ine W eile bei ihm, während er im Krankenhaus versorgt wurde. Doch dann musste sie zum Ha fen zurückkehren und ihre Arbeit erledigen.
»Ich komme heute Abend wieder«, versprach sie.
Es war schon sechs Uhr, als sie schließlich nach Hause kam. Von ihren Eltern lieh sie sich den Wagen aus, und um sieben Uhr war sie endlich wieder im Krankenhaus. Joe lag in saubere Laken gehüllt in seinem Bett und schlief tief und fest. Kate setzte sich neben ihn, ohne ihn zu wecken. Zwei Stunden später rührte er sich endlich. Er drehte sich um und verzog vor Schmerz das Gesicht. Dann erst spürte er, dass Kate da war, und öffnete die Augen.
»Träume ich? Oder bin ich etwa im Hi mmel?«, fragte er mi t einem verschlafenen Lächeln. »Das ist doch nicht Kate, die hier an meinem Bett sitzt … Das habe ich doch gar nicht verdient.« »Doch, natürlich hast du das verdient.« Kate küsste ihn zärtlich auf die Wangen und dann auf die Lippen. »Ich glaube, ich bin der glücklichste Mensch unter der Sonne. Meine Mutter hatte schon Angst, dass ich als alte Jungfer ende.«
»Ich hatte befürchtet, dass du längst mit diesem Andy verheiratet bist. Mit dem warst du ja schon immer befreundet. Solche Jungs bekommen immer die Mädchen ab, wenn der Held endlich tot ist.«
»Stell dir vor: Der Held ist gar nicht tot!«
»Nein.« Joe wälzte sich seufzend auf den Rücken. Seine Beine waren mittlerweile in Gips. »Ich dachte, ich würde nie wieder aus diesem Gefängnis herauskomm en. Jeden Tag war ich sicher, dass mein letztes Stündlein geschlagen hätte. Aber offenbar hatten die Freude an mir. Deshalb haben sie mich nicht umgebracht.«
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Stattdessen hatte man ihn schlecht behandelt. Kate konnte sich die Hölle, durch die er achtzehn Monate lang gegangen war, nicht vorstellen. Wie hatte er das nur überlebt?
Sie blieb bis gegen zehn Uhr bei ihm. Dann fuhr sie nach Hause. Sie sah, dass Joe sehr müde war. Außerdem hatte er ein starkes Mittel gegen die Schmerzen bekommen. Als sie ihn verließ, döste er bereits vor sich hin. An der Tür wandte sie sich noch einmal um und bet rachtete das markante Gesicht, von dem sie so viele Male geträumt hatte.
Zu Hause wartete ihr Vater auf sie.
»Wie geht es ihm, Kate?«, f ragte er voller Anteilnahme. Er war noch im Büro gewesen, als Kate sich auf den Weg zum Krankenhaus gemacht hatte.
»Er lebt«, strahlte sie,
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