Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Felix es mir erzählt.
Aber um die Felix’sche Familie hier im Gesamten zu beschreiben: Wir hatten es mit einem absenten Vater, der besser auf der Position des großen Bruders besetzt gewesen wäre, Beleuchter beim Film und Schlagzeuger in einer Band, mit einer grundsympathischen Mutter, freiberufliche Maskenbildnerin, und eben mit Felix zu tun.
Der war wiederum ebenfalls grundsympathisch, allerdings mit der zuvor erwähnten Zusatzausstattung versehen, dass er einen mit seinem Bewegungsdrang und seiner Unruhe tatsächlich sehr anstrengen konnte.
In seinem Zimmer hing ein Boxsack, und sein Schlagzeug war häufig in Benutzung, Felix wollte Schlagzeuger in einer Rockband werden, wie sein Vater. Den fand er eh cool, weil der, wenn er mal nicht bei Filmarbeiten das Licht regelte, sondern tatsächlich seine Verabredung mit Felix einhielt, mit ihm zum Probenraum der Band fuhr und sie dann richtig Krawall machen konnten.
Außerdem gab es in Felix’ Zimmer eine Kletterwand, an der baumelnd er seine Hausaufgaben unterbrach und erst einmal Affe spielte. Für derlei Einrichtungen hatte seine Mutter ihm das größte Zimmer in der Wohnung überlassen, weil sie froh war, wenn er seiner Unruhe nicht nur durch sportliche Aktivitäten außerhalb, sondern auch im eigenen Zimmer beikommen konnte. Anke Jentsch war der Überzeugung, dass man Kindern mit derartigen Konzentrationsschwierigkeiten möglichst viele Mittel an die Hand geben sollte, mit denen sie ihre Schwierigkeiten auch selbst angehen konnten.
Das alles erfuhr ich, als ich abends ein Telefonat mit einer ihrer Freundinnen belauschte. Bei diesem Telefonat erfuhr ich außerdem, wie unglücklich Anke darüber war, dass sie sich darauf eingelassen hatte, ihrem Sohn dieses Medikament zu verabreichen. Sie ahnte ja nicht, dass Felix längst eine Lösung für das Ritalin-Problem gefunden und seine Rappeligkeit mit all den Maßnahmen, die er über den Tag verteilt ergriff, anscheinend ganz gut unter Kontrolle hatte.
In der Schule war mir zudem aufgefallen, dass die Klassenlehrerin Felix manchmal anzwinkerte, ihn in einem Nebengebäude etwas holen schickte – und zwar subito! – und dass er von solchen kleinen Sprints deutlich entspannter zurückkehrte und dem Unterricht wieder folgen konnte.
Ob ich die Mutter davon in Kenntnis setzen sollte, dass sie sich wegen des Ritalins nicht mehr grämen musste?
Von Anfang an hatte ich einen guten Kontakt zu Anke, wie ich sie nennen durfte. Ich hatte sie sogar schon zu Felix sagen hören »Deine Maus hat ja ganz vernünftige Ansichten«.
Das freute mich natürlich, nur beantwortete es nicht meine Frage, ob ich sie nun aufklären sollte oder nicht.
Felix duschte gerade seinen Werktag mit lautem Gesang ab, und Anke machte sich in seinem Zimmer zu schaffen, wo ich mich ebenfalls aufhielt. Insofern bot sich mir eine gute Gelegenheit.
»Na, Britta, was runzelst du die Stirn?«
Die merkte echt alles. Und hatte damit doch quasi entschieden, dass ich meine Gedanken mal laut äußerte. Oder? Oder nicht?
»Ich, ähm ...«, hier baute ich ein Hüsteln ein. »Ich überlege gerade etwas.«
»Und was? Was überlegt eine Maus denn so, abends, wenn der Tag zu Ende geht? Jetzt bin ich aber gespannt.«
»Nun, ich äh, ich ... also, man fragt sich ja manchmal Dinge, die dann, wenn der andere das wüsste, die dann ...«
Da grätschte Felix ins Zimmer. Der Goldjunge!
»Felix, die Britta versucht mir gerade unter größten Mühen, eine Überlegung mitzuteilen. Vielleicht kannst du ihr helfen.«
Felix sprang in den Handstand und lief kopfüber auf mich zu. »Sag. Was denn?«
Ganz, ganz doof gerade alles, fand ich.
»Ja. Ichichich dachte just darüber nach, ob man deiner Mutter nicht mal sagen sollte ...« – aus der Nummer kam ich nun nie wieder raus –, »... ob man nicht einfach mal deiner Mutter ...«
Felix’ Kinn, Nase und Augen kamen in genau der Aufstellung auf mich zu. »Spuck’s schon aus, was meinste denn?«
Felix ließ die Beine aus der Luft herunter und hockte nun mit gut durchblutetem Gesicht vor mir.
»Wegen des Ritalins«, zischte ich durch die Zähne, aber nicht leise genug.
»Was ist mit dem Ritalin?!« Felix’ Mutter hatte augenblicklich eine andere Körperspannung.
»Wenn du jetzt kneifst, stell ich dir beim nächsten Handstand ein Bein!«, drohte ich Felix, wieder durch die Zähne.
»WAS! IST! MIT! DEM! RITALIN!?«
»Das Ritalin«, sammelte sich Felix. »Das … Ritalin.«
»Felix??!«
»Ja. Mama. Genau.«
Felix
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