Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
sie schließlich zu sich. Die ging darauf sofort und gerne ein und wetzte auf Mutters Schoß.
»Hach, ihr blöder Nachwuchs, habt mir so einen Schrecken eingejagt! Ich hab mir wochenlang Sorgen gemacht, was bloß los ist mit dem Papa, und wer heute mit Mitte vierzig die Kündigung kriegt, der steht ja erst mal da. Da gehste nicht ins Nachbarhaus und arbeitest weiter. Da kannste schön zum Arbeitsamt gehen.«
Frau Jakobs hielt noch etwas länger den Kontakt zum Teufel an der Wand. Das kam auch sofort bei Luise an. Die zuckte auf Mutters Knien zusammen und fragte mit weiten Augen: »Haben die dem Papa gekündigt? Wegen dem Einschlafen?«
»Nein, mein Schatz! So schnell geht das nicht!« Herr Jakobs warf seiner Frau einen Blick aus zwei Sehschlitzen zu. »Ich arbeite seit acht Jahren erfolgreich in der Firma. So schnell schmeißt mich da keiner raus. Die Mama hat nur Angst, dass sich bei uns was zum Schlechten verändern könnte. So wie bei Jörg und Martina, weißt du, unseren Freunden, wo man seinen Arbeitsplatz weggekürzt hat.«
»Was heißt denn ›weggekürzt‹? Haha, da ham se dem plötzlich die Schreibtischbeine so säg, säg und der kommt am nächsten Tag, und der so, hö? Schreibtisch kürzer, was ist das denn, kratzkratz! Und auf einmal: auch noch der Stuhl weg, und der so: auuutsch, aufn Arsch gefallen, haha!«
»Weißt du was, Felix, genau das heißt weggekürzt.«
»Nee, ne?«
»Doch, wenn man zum Beispiel eines Tages von der Firmenleitung mitgeteilt bekommt, dass wegen einer Umstrukturierung die eigene Stelle, also, man selbst nicht mehr gebraucht wird und deshalb die Firma verlassen muss, das ist wegkürzen. Und man kann das auch so ähnlich beschreiben wie du gerade.«
»Meinen Pa können sie gar nicht rausschmeißen, der ist nämlich selbst Chef. Und meine Ma auch, ne, Mama?«
Frau Jentsch nickte zögernd. »Tja, so klingt das super. Aber bei uns kann jeder Job der letzte sein. Das kann uns immer passieren, und dann stehst du auch da. Der Papa hat doch immer mal Geld und mal keins, mal holt der dich am Wochenende, mal nicht. Das hängt immer davon ab, ob der gerade einen Job hat oder nicht.«
»Was machen denn Ihr Mann und Sie beruflich?«, wollte Luises Mutter wissen.
»Ich bin Maskenbildnerin und Felix’ Vater, von dem wir getrennt leben, ist Beleuchter beim Film.«
»Hui, das ist ja ganz schön exotisch. Und dann mit einem Kind. Kann man denn davon leben?«
Hui. Ganz, ganz blöde Frage, das wusste ich schon.
Die hatte ich schon einmal gehört.
Bei dem Fotoshooting, das ich für die Kalenderproduktion für Pollys Papa über mich hatte ergehen lassen, war ich in einer Pause Zeugin eines Gesprächs geworden. Die Frau, die sich an dem Tag um die Klamotten kümmerte, und diejenige, die alle, die später noch ins Bild sollten, schminkte, waren sich darin einig gewesen, dass die Frage »Kann man denn davon leben?« stets klang wie: »Kann man denn so bescheuert sein?«.
Mich hatte die Maskenbildnerin bei dem Shooting übrigens für ein Motiv in Miss Piggy verwandelt. Sehr sexy, das nur am Rande, bringt in dieser Geschichte jetzt niemanden weiter.
Felix’ Mutter antwortete also konsequenterweise folgendermaßen:
»Ach ja, danke, das geht schon. Als Freiberufler ist es ja immer etwas anderes, als wenn das Geld jeden Monat sicher auf dem Konto landet. Und Sie? Können Sie von dem, was man als Hausfrau so kriegt, auch leben?«
Frau Jakobs’ Frage war eine mit Zündstoff behaftete Vorlage gewesen, dann lud man eben als Angesprochene seine Buchstabenknarre durch, die man für solche Fälle stets schussbereit bei sich trug, und paff, abgefeuert ins Gesicht des Gegenübers. Frau Jakobs guckte darob sehr blöd aus der Wäsche. Die Stirn in mehreren Schichten über den hochgezogenen Augenbrauen, die Augen geschmälert, die Lippen aufeinandergepresst.
Die Kinder hatten sich zum Spielen in Luises rosa Hölle verzogen, sodass nur Herr Jakobs Zeuge wurde von der Aneinandergeratung zweier Frauen, wie sie wahrscheinlich Männer auch gar nicht hinbekämen. Gewisse Wortgefechte hatte ich auf meiner Forschungsreise durch die menschliche Welt nur bei Frauen belauscht. Die Damen konnten sich beherzt auf die Nase hauen, dabei Champagnergläser schwenken und ihre Locken nach hinten werfen. Eine ging in Vorleistung, die andere zog zuverlässig nach.
Wobei ich Luises Mutter unterstellen möchte, dass sie sich der Sprengkraft ihrer Frage gar nicht bewusst war, wie das manchmal bei Bemerkungen so ist, die
Weitere Kostenlose Bücher