Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
elterlichen Sofa wie eine Säulenheilige. Maximale Körperspannung, und ihre Augen starrten kreisrund einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand an. Wer sie nicht kannte, hätte sie für eine sehr echte Mädchennachbildung halten können.
Ihr Freund Felix hatte in der Zwischenzeit die Aufgabe übernommen, ihre Eltern darüber in Kenntnis zu setzen, warum Herr Jakobs in einer Sitzung mit seinem Chef Humpe eingenickt war und es ihm seit Wochen an Tempo fehlte.
Des Weiteren anwesend: Anke Jentsch und ich, die ich mich aber aus dem folgenden Quintalog heraushielt. (Zählen Sie bitte die Gesprächsteilnehmer einmal durch – danach sagen Sie freiwillig auch nicht mehr Dialog.) Meine Beobachterposition befand sich neben Luise. Auf der Sessellehne.
»Luise?«
»... ...« Luise starrte.
»Luise!«
Zum Starren kamen Fingerkneten und ein äußerst kurzes »Hm?« hinzu. »Luise, könntest du bitte außer Einfrieren auch noch etwas Text beitragen zu dieser ungeheuerlichen Geschichte?!«
Die arme Luise saß da mit roten Flecken vom Hals aufwärts und nahm sich bestimmt mit jedem Atemzug fest vor, ihren Freund in seiner Schilderung zu unterstützen. Aber bisher verlor sie den Kampf um aktive Mitgestaltung des Gespräches, das war deutlich zu sehen.
»Frau Jakobs, ich war gestern auch total bestürzt über diesen Vorfall, aber ich konnte nicht lange böse sein, die Kinder wollten ja keinen Schaden anrichten, das müssen wir auch sehen«, meldete sich Anke zu Wort.
»Ha! Nee! Keinen Schaden! Mein Mann hat sich ja auch nur fast eine Abmahnung eingehandelt, wenn das kein Schaden ist! IHR Mann ist ja schließlich nicht eingenickt auf der Arbeit. Verstehen Sie? Mein Mann ist BEIM Gespräch mit dem Chef EINGENICKT, das müssen Sie sich mal vorstellen! Einfach eingenickt! Und jetzt erfahre ich, dass die eigene Tochter dahintersteckt! Die eigene Tochter!«
Felix legte seinen Arm fest um Luise, die sich für das Gespräch in Beton gegossen hatte. Da! Jetzt kam ein Stakkato aus ihr heraus:
»Aber! Ich! Wollte! Das! Doch! Nicht! Ich wollte doch dem Papa helfen! Du sagst doch immer, dass der einen Herzinfarkt hat!«
»Dein Vater hat keinen Herzinfarkt, dann säße der jetzt nicht hier! Was redest du denn jetzt vom Herzinfarkt!«
»DU sagst immer, dass der Papa noch mal umfällt, wenn der so weitermacht, und dass der einen Herzinfarkt hat, weil dem Kopf und Füße brennen!«
»Ich hab gesagt, der Papa brennt an zwei Enden, das ist so eine Redewendung, Herrgott noch mal, davon brennen einem weder das Haar noch die Strümpfe, davon kriegt man höchstens irgendwann mal einen Herzinfarkt, das kann schon sein, dass ich so was mal gesagt hab.«
»Du musst einfach manchmal besser aufpassen, was du sagst, Verena, das scheint unserer Tochter einen richtigen Schrecken eingejagt zu haben.«
Während ihr Mann sich zum ersten Mal äußerte, sackte seiner Frau die Kinnlade Richtung Brust, und ganz langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung.
»Wie bitte?!«
»So was sagt unser Sportlehrer auch immer zu uns! Bevor man was Falsches sagt, lieber eine Runde Laufen. Dann gäb’s auch nicht so viele Kriege, meint der.« Felix war wirklich eine Helfernatur.
»Ich will das mal eben zusammenfassen: Ich bin jetzt hier die Einzige, die etwas heftig darauf reagiert, dass der Felix, der wahrscheinlich nicht ohne Grund das Ritalin verschrieben bekommt, es aber verweigert und stattdessen gemeinschaftlich mit unserer eigenen Tochter deren Vater beinahe um seinen Arbeitsplatz bringt, ach was, noch viel mehr: um seine Gesundheit! Das regt hier allerdings niemanden besonders auf, vielmehr soll ich darauf achten, die Kinder nicht zu verschrecken. Hab ich das so richtig verstanden?!«
Frau Jakobs’ Brüste hoben und senkten sich unter schwerer Wutatmung.
»Frau Jakobs ...«
»Verena ...«, meldeten sich nun parallel Anke Jentsch und Herr Jakobs zu Wort.
Der Gatte setzte sich durch: »Verena, was soll denn diese Schärfe jetzt?! Vor dir sitzt deine eigene Tochter wie ein Häufchen Elend, der Felix kommt extra mit seiner Mutter, weil er anscheinend Verantwortung übernehmen will, also, was willst du denn jetzt hier für ein Gericht abhalten?«
»Bst d hr mn Mnn, odr hßt d jtzt Hrr Jntsch?« Das war gezischt und hieß: Bist du hier mein Mann oder heißt du jetzt Herr Jentsch? Es war Frau Jakobs allerdings anzumerken, dass ihr Ärger an Wucht verlor. Nach dieser letzten Attacke schaute sie zu ihrer Tochter hinüber und schaute und schaute – und winkte
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