Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
verübeln, war er doch zur Zeit seiner Auseinandersetzung mit Josefine am Ende seines Lebens. »Josefine ...« sollte sein letzter Text sein. Für mich zeugt die Lückenhaftigkeit, die Kafka in der Beschreibung Josefines nicht zu überwinden vermag, keinesfalls davon, dass er zum Schluss in seinem Wirken nachgelassen hat, nein, sie ist lediglich Ausdruck dessen, dass wir uns fernhalten sollten von dem Vorhaben, eine derart komplexe Künstlergestalt, wie Josefine sie war, schildern zu wollen.
Möge ich ihr an dieser Stelle ein erneutes Denkmal gesetzt haben, fehler- und lückenhaft, wie mir aus den genannten Gründen selbstverständlich bewusst ist.
Letztlich kann man einen wirklich großen Star nur ehren, wie Mara das machte: in persönlicher Anbetung; und bloß nicht den Versuch unternehmen, der Öffentlichkeit etwas von der eigenen Bewunderung anzutragen. Man fällt nur schmerzhaft hinter die angebetete Leistung zurück, wie bedauerlicherweise Herr Kafka und ich.
Das sich an meine ruhige Mara-Woche anschließende Wochenende hatte es derart in sich, dass nicht nur ich, sondern auch Sie nie wieder vergessen werden, welche Zäsur in meinem Leben dieses Wochenende darstellte.
An ebendiesem Wochenende befand ich mich des Freitags in einer delikaten Situation.
Vielleicht darf ich zu meiner Entlastung anfügen, dass ich leicht alkoholisiert war, ich hatte vor der konkreten Begebenheit einen kleinen Rest Rotwein aus einem Glas, das Herr Weller in der Küche abgestellt hatte, zu mir genommen. Bis zu meiner Erwähnung gerade wird auch Ihnen nicht bewusst gewesen sein, dass das, was Sie aus einem Glas gar nicht mehr heraustrinken können, weil es sich als letzter Tropfen am Grund absetzt, für uns vergleichsweise einer Menge von 0,001 l entspricht. Unser Stoffwechsel ist ähnlich dem der Asiaten, die ein bestimmtes Enzym nicht bilden, das man zur Alkoholverarbeitung benötigt, ergo sind wir fix erledigt, wenn Alkohol ins Spiel kommt.
So verhielt es sich nämlich an besagtem späten Freitagabend. Polly schlief zu dem Zeitpunkt bereits, insofern trifft sie keine Schuld. Sie konnte nichts von dem, was sich an diesem Abend abspielte, verhindern. Doch ich muss etwas vorher ansetzen:
Wir hatten einen tollen Brückentag gehabt. Polly und Luise hatten sich für den Nachmittag zum Squashspielen verabredet, und ich durfte mit. Irgendwann kam eine von uns dreien auf die Idee, den Ball doch einmal gegen mich einzutauschen, ich glaube sogar, ich war das, und schon flog ich juchzend durch die Gegend. Wir hatten einen Heidenspaß! Das hier angesammelte und bis abends nicht vollends abgebaute Schwindelgefühl dürfte zum abendlichen Geschehen sein Übriges beigesteuert haben.
Ich war regelrecht aufgekratzt, als ich auf der Heimfahrt auf Pollys Gepäckträger – dick eingemummelt in eine von Thordis vererbte Daunenjacke – für die hinter uns anhaltenden Fahrzeuge an der Ampel eine Fratze nach der anderen schnitt. Beinahe hätte Polly sich bei meiner Verteidigung noch eine Ohrfeige von einem äußerst aufgebrachten Herrn um die sechzig eingehandelt. Luise, die im Anschluss mit ihrer Mutter die Oma pflegen musste, der es zu dem Zeitpunkt wohl sehr schlecht ging, genoss die alberne Auszeit mit uns. Sie kam aus dem Japsen gar nicht mehr heraus. Was sie zusätzlich in den Fokus des zornigen Herrn rückte, der schlussendlich aber davon absah, an einer Ampelkreuzung zwei Mädchen zu ohrfeigen, von denen eine auf dem Gepäckträger eine fratzenschneidende Maus sitzen hatte. Nicht bei jedem Autofahrer kam meine Darbietung derart schlecht an, ich erinnere mich an die Insassen eines Touran, die ich trotz geschlossener Fenster bis auf die Straße kreischen hörte. Als schließlich alle bei Grün ihre Fahrt wieder aufnahmen, winkte man mir aus mehreren Gefährten zu. Ich verbuchte das inklusive der Attacke des überforderten Fahrers als kleinen Erfolg im Entertainmentbereich.
Nun kamen wir also am späten Freitagnachmittag bester Laune nach Hause, wo Polly und ich uns erst einmal eine Weile der Stillarbeit hingaben. Sie las in ihrem Lieblingsbuch »Schneebälle im Regenwald«, ich löste mehrere Kreuzworträtsel hintereinander weg.
Nachdem Polly ihre Eltern hatte wissen lassen, dass sie keinesfalls zu Abend Kalbsnierchen essen wolle, hatten die Herrschaften entschieden, dass es dieses Gericht definitiv trotzdem gebe, weil man sich nicht von einem Kind die Speisekarte vorschreiben lassen wolle. Polly bekam ein paar reich belegte
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