Danke für meine Aufmerksamkeit: Roman (German Edition)
Brote auf ihr Zimmer gebracht, das schien für alle eine akzeptable Lösung, weil man sich in diesem Haus ja eh nicht gern zusammen in einem Raum aufhielt. Die Miteinander-Temperatur war gewohnt niedrig, die Brote wie sonst auch von bester Qualität, mit Belag, dazu Tomaten, Artischocken und Oliven, ausreichend Bio-Limo und fertig. Alles wie immer.
Bis ich ein Rascheln hörte. Polly hörte nichts, sie gab sich im Bad dem Zähneputzen hin.
Ich robbte an der Wand entlang, und Polly kam mir eine Minute später mit frischem Atem zu Hilfe. Immer, wenn Polly und ich das Wort aneinander richteten, machte es auf der anderen Seite der Wand krrkrrk, sobald wir lauschen wollten, war Ruhe.
Durch diese Ruhe drang nun mit fester Stimme:
Nessun dorma! Nessun dorma!
Tu pure, o Principessa,
nella tua fredda stanza
guardi le stelle che tremano
d’amore e di speranza!
Plötzlich ging ein Riss durch die Wand. Ein rechtes muskulöses Mäusebein war zu erkennen, das kraftvoll die Seite wechselte. Und im nächsten Moment stand Ferdinand vor mir.
Ich traute meinen Augen nicht!
So etwas konnte sich nur Ferdinand ausdenken. Ferdinand, der mittlere von drei Brüdern, aus gutem Hause, ein zu jedem Spaß bereiter Mäuserich. Ferdinand war nicht eben gut aussehend, er war eine Sturzgeburt gewesen und dabei leider so unglücklich aufgekommen, dass er eine dauerhaft flache Stirn davontrug. Aber dennoch verfügte er über eine Attraktivität, die jedem direkt zugänglich war. Er hatte dieses gewisse Knickknack in den Augenwinkeln, ein schiefes Lächeln und eine umwerfende Ausstrahlung von geerdetem Selbstvertrauen. Und er verfügte über diesen Tenor.
Warum mir Ferdinand bereits bekannt war, bevor er hier auf etwas ungewöhnliche Weise vor uns zu stehen kam, das ist es wert, dass ich es Ihnen gesondert schildere. Da müsste ich mal sehen, wann das gut passen würde. Alle Geschichten mit Ferdinand sollten besonnen erzählt werden, nicht einfach hinausgeworfen! Seien Sie geduldig. Was wichtig ist, kommt wieder! Merken Sie selbst, wie im Dunstkreis von Ferdinand alles eine größere Dimension bekommt?
Polly, die bisher aus der Mäusezunft ja nur mich kannte, kriegte sich gar nicht mehr ein, als Ferdinand sie mit verteilten Rollen ansprach:
»Haben Sie Rosen?
Lange?
Wie, vermieten Sie auch?«
Jetzt war kein Halten mehr. So hatte ich Polly noch nicht erlebt. Und wir hatten weiß Gott schon viel Spaß gehabt! Aber bei Ferdinand verstand man augenblicklich, was es hieß, funny bones zu haben. Er hatte dieses Unangestrengte, Lässige, er machte alle Späße zunächst einmal für sich und nicht, weil er sein Gegenüber so unbedingt unterhalten wollte. Ganz anders zum Beispiel Ralle, da soll ja schon der Name komisch klingen, harrharr! Ralle äußert sich immer quasi zweistimmig: Mit der ersten Stimme platziert er einen Gag, und darüber liegt immer ein: guck mal ich, guck mal ich! Besser kann ich das hier nicht schildern. Wer es verstanden hat, gut, wer nicht: egal.
Polly, Ferdinand und ich gingen später noch zusammen in die Badewanne und spielten MS Europa in der Karibik.
Wir Mäuse haben ja alle miteinander stets das gleiche Outfit, es bedurfte also keiner großen Überwindung für mich, mit diesem Ferdinand zusammen in derselben Gestalt, die er schon von mir kannte, in die Badewanne zu gehen. Und doch, wie wir da im Wasser tobten, da schwang etwas mit, da fühlte es sich an, als hätte ich mich für einen ganz scharfen Bikini entschieden. Polly bemerkte natürlich nichts, für sie waren wir zwei Mäuse beim Planschen, fertig.
Als sie schließlich eingeschlafen war, entwickelte sich zwischen Ferdinand und mir eine Situation. So möchte ich mich da jetzt erst einmal herantasten. Ich habe bis heute noch niemandem davon Kenntnis gegeben.
Hin zu dieser Situation führte uns ein Gespräch.
»Sag mal, Britta, eins würde ich gerne von dir wissen.«
»Vielleicht möchte ich es dir aber nicht verraten?«
Was hatte ich denn plötzlich für einen neckischen Tonfall??
Wir hatten es uns in Pollys Playmobil-Schloss bequem gemacht und lagen nebeneinander in Liegestühlen auf der großen Terrasse.
»Du weißt doch noch gar nicht, was ich fragen will.«
»Vielleicht hab ich ja so eine Ahnung?«
Wollte ich jetzt jeden Satz mit »vielleicht« beginnen? Meinen Kopf hatte ich in der Zwischenzeit auch schief gelegt und musterte Ferdinand aus den Augenwinkeln. Wenn du gleich mit dem linken Fuß die rechte Wade hoch- und runterfährst,
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