... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Provinzen, Cúig cúigí na hÉireann .
Das irische Wort cúige bedeutet – dies nur als kurze Anmerkung für unsere nicht-irischen Leser – fünfter Teil, aber auch Provinz.
Trotz eines dauerhaften Friedens mit den Fomoriern wurden die Fir Bolg nach siebenunddreißig Jahren von der fünften und wichtigsten Invasionswelle überrannt: den Tuatha de Danaan , dem göttlichen Geschlecht, dem mächtigsten aller Völker, die unsere Insel jemals zu ihrer Heimat auserkoren hatten. Sie trugen vier magische Waffen mit sich: das Schwert des Sieges, den Speer des Lichts, den Kessel der Fülle und den Stein der Bestimmung.
Zu der Zeit, als die Danaan nach allen möglichen, mit List und Zauberei geführten Schlachten gegen die Fomorier ihre Herrschaft festigten, wurde in Spanien ein riesiger Turm erbaut, der bis zu den Wolken ragte und von dem aus die Insel im Norden entdeckt wurde. Sie zog die nächste Welle von Einwanderern an. Dieses Mal kamen sie aus Milet, einer der bedeutendsten griechischen Städte im alten Ionien, der heutigen Westtürkei.“
Suses Augenbrauen zuckten in die Höhe. Milet? Das kannte sie! Dass sie allerdings ausgerechnet im feuchten Irland an ihren Urlaub in der Gluthitze der türkischen Sonne erinnert wurde, verblüffte sie über die Maßen.
Ganz deutlich hatte sie den Verlauf der Küstenlinie vor Augen, so wie er auf einer Schautafel auf dem Theaterhügel von Milet dargestellt war. In der Antike hatte sich die Stadt mit ihren hunderttausend Einwohnern auf einer Landzunge über den Wassern des Latmischen Golfes erhoben. Damals war Milet eine Hafenstadt, deren stolze Schiffe das Mittelmeer und Schwarze Meer befuhren und, wie Suse jetzt feststellte, wahrscheinlich sogar jenseits der „Säulen des Herkules“ umher schipperten. Über den gesamten Mittelmeerraum verstreut gründeten die Milesier an die achtzig Kolonien. (Von einer Kolonie in Irland hatte indes nichts im Reiseführer gestanden.) Als der Latmische Golf durch den Schlamm des Großen Mäanders schließlich verlandete, breitete sich ein brackiger Sumpf vor der Stadt aus, die damit ihre Bedeutung als ökonomisches und kulturelles Zentrum der östlichen Ägäis verlor.
Suse nahm ein Blatt aus der Zettelbox auf dem Schreibtisch und klemmte es zwischen die Seiten. Das musste sie genauer nachlesen.
M ilet. Die Milesier. Warum eigentlich nicht? Weshalb sollten es die Milesier nicht bis nach Irland geschafft haben? Obwohl man sich gezwungenermaßen fragen musste, wieso sie das freundliche, überaus kultivierte Milet mit seinem Theater, den Thermen, Bibliotheken und Gymnasien, seiner Kanalisation und dem Sonnenschein gegen das unwirtliche und – jawohl! – barbarische Irland eingetauscht haben sollten.
Aber v ermutlich gehörte auch diese Geschichte ins Reich der Legenden.
„Als die Milesier auf die Königsburg Tara vorrückten, stellte sich ihnen die Göttin Eriu in den Weg. Sie prophezeite den Kelten, dass ihnen die Eroberung der Insel unter einer Bedingung gelingen würde: Sie müssten dem Land ihren Namen geben. Sie versprachen ’s und nannten die Insel Éire . Die Danaan besaßen zwar noch immer ihre magischen Künste, die Gälen allerdings hatten Waffen aus Eisen, die viel stärker waren als die Bronze der ‚Kinder des Lichts’. Trotzdem gelang es den Gälen nicht, die Tuatha de Danaan aus Irland zu vertreiben. Also schloss das göttliche Volk einen Friedensvertrag mit den Menschen und zog sich fortan hinter den Schleier seiner magischen Künste zurück. Einige gingen in die Höhlen unter den grünen Hügeln und an die Orte jenseits menschlichen Wissens, andere wiederum nach Tir na nÓg und auf die Heiligen Inseln im Westen. Schon damals prophezeiten die Druiden, eines Tages würden lediglich eine Hand voll Danaan in den Palästen unter den alten Hügeln übrig bleiben und die Begegnung mit den Menschen meiden.
Und irgendwann werden die Menschen all jene verspotten, die behaupten , einem Elf begegnet zu sein.
Mit diesen Worten will ich ‚Das Buch der Invasionen’ schließen. Möge jeder meiner geschätzten Leser nach seinem Gusto entscheiden, welcher Geschichte er den Vorzug gibt.“
Herrjeh! Das ist doch wieder mal typisch irisch! meckerte Suse.
Würde sie jetzt einen Einheimischen nach seiner Meinung zum Wahrheitsgehalt der beiden Versionen fragen, müsste der selbstverständlich im Brustton der Überzeugung abwiegeln, jemals an Feen geglaubt zu haben. Nach der dritten oder vierten Pint allerdings, wenn die Augen
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