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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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in seine Bücher gesteckt, wenn er sich nicht gerade mit einem von uns unterhielt, so wie Ihr gerade. Er fragte uns Löcher in den Bauch und wollte immer alles haargenau wissen. Manchmal war es regelrecht zum Haare raufen mit diesem Knäblein, weil er uns hartnäckig mit seinen Fragen verfolgte. Welche Farbe haben die Stimmen der Engel? Wie duftet die Liebe? Wie kalt ist Zorn? Welche Sprache sprechen die Bäume? Es gibt wirklich nichts, wofür er sich nicht interessiert.“
    „Adrian hat nie mehr als fünf zusammenhängende Wörter gesprochen. Er hasste es zu reden.“
    Das Männchen ignorierte gleichfalls diesen zaghaften Einwand, rupfte einen Grashalm aus dem Boden und steckte ihn zwischen seine schiefen Zähne. Dabei pfiff er schräg und schrill vor sich hin, bis Suse die Schultern an die Ohren zog.
    „Und genauso liebt er die Musik. Sie erfüllt seine Seele derart vollkommen, als wäre er selbst ein Elf.“ Lurgadhan de Búrca schlug sich lachend auf die Schenkel, hob abwechselnd mal das eine, mal das andere krumme Bein in die Höhe und klatschte in seine erdigen Hände. „Und wenn er tanzt, verharrt die Welt in atemlosem Staunen und sieht ihm voller Bewunderung zu.“
    „Nein! Nein, verdammt noch mal!“, schrie Susanne auf und der Schmerz verzerrte ihre Züge. „Ich weiß nicht, von wem Sie die ganze Zeit reden, Adrian auf alle Fälle hasste es zu tanzen! Er hat in den sieben Jahren, die wir uns kannten, nicht ein einziges Mal mit mir getanzt. Und in seiner Kombüse hat er während eines Anfalls von Melancholie den Lautsprecher des Bordfunks zerdroschen, weil er nicht einmal Musik ertragen konnte! Alles, was auch nur im Entferntesten den Eindruck von Vergnügen erweckte, hat er abgeblockt und nicht näher als eine Meile an sich herangelassen.“
    „Er hat es vergessen“, seufzte der Cluricaun zum Gotterbarmen und ließ sich mit hängenden Schultern im Schneidersitz ins Gras sinken. „Er hat so vieles vergessen. Und wäret Ihr nicht gewesen, er wäre zu Stein erstarrt angesichts der Kälte in seinem Herzen.“
    Schweigend saßen sie sich gegenüber und Suse fragte sich einmal mehr, mit wem sie da eigentlich sieben Jahre lang eine Wohnung geteilt hatte, wer der Vater ihrer drei Söhne war und um wen sie noch immer trauerte. Wer war Adrian Ossmann gewesen?
    „Sie kennen Adrian also aus seiner Kinderzeit in Irland?“
    „Ja und auch von später.“
    „Matthias hat behauptet, Adrian sei nie mit ihm gemeinsam hier gewesen.“
    „Das ist wahr.“
    „Also kennen Sie ihn aus der Zeit, bevor er nach Deutschland kam?“
    „So ist es.“
    „Muss ich Ihnen wirklich jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen? Es ist zum Mäusemelken! Auf der einen Seite plappert ihr Iren ohne Unterlass, dann wieder stellt ihr euch stumm wie die Fische.“
    „Nun gut, ehrenwerte Lady. Ich werde Euch noch etwas mehr von ihm erzählen. Der Junge, den Ihr Adrian nennt, vermochte bereits im zarten Alter von vier Jahren zu lesen. Am liebsten mag er unsere alten Märchen, die voller Weisheit sind. Er las sie schon damals auf Gälisch. Und ich habe bis heute keine Ahnung, wer ihm das beigebracht haben mag. Dieser Schlingel lässt sich einfach nicht überreden, es zu verraten. Somit habt Ihr mit Eurer Behauptung Recht, dass er lediglich dann spricht, wenn er es für erforderlich erachtet. Und Ihr seht, dieser Wesenszug hat nichts mit Euch zu tun.“
    „ Sehr beruhigend. Dann meinen wir vielleicht wirklich denselben Mann. Angeblich ist Adrian das Wissen in den Schoß gefallen. Mit mir darüber zu reden, hielt er nie für nötig.“
    „Warum soll er darüber reden? Ihr versteht ihn auch so. Wie keine zweite, wenn ich das ausdrücklich betonen darf. Oder ist Euch etwa entgangen, welch belesener und kluger Mensch er ist?“ Er musterte sie abschätzend von Kopf bis Fuß, bis sich Suse unter seinem Blick unbehaglich zu fühlen begann. Wieder nickte er heftig und sein Hut wippte auf und nieder.
    „Wissen. Verstehen. Glauben. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die möchte man ganz einfach hören, selbst wenn man es längst weiß oder ohne Worte versteht und glaubt. Es gibt Worte, die eine Frau von ihrem Mann hören möchte. Was ist daran so schwer?“
    „Ach, Weiber! Weiber!“ Der Cluricaun wackelte mit seinem Haupt und in seinen Augen tanzte ein schalkhaftes Lächeln. „Seit Urzeiten stellt es sich jeden Tag aufs Neue als unlösbares Problem heraus, eine Frau verstehen zu wollen. Erst streitet sie mit einem Esel, bis er enerviert

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