... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
vibrierte wie eine gespannte Saite. Denn längst hatte sie erkannt, dass es kein Spiel war. Máirtín Callaghan hatte seine Schwester geschwängert und versucht, dem jungen Grafen dieses Kind unterzuschieben. Und als der nicht mitspielte …
Suse stieß die vor Schreck angehaltene Luft aus. Auge um Auge, hatte Máirtín gesagt. Mittlerweile musste es sich in ganz Killenymore herumgesprochen haben, dass Matthias sie haben wollte. Máirtíns Schwester dagegen hatte er verschmäht. Also würde Máirtín jetzt sie, Susanne, für seine Rache benutzen.
Er würde sie umbringen. Er hatte es bereits vorgehabt, als er ihr von seiner Schwester zu erzählen begann.
Wie betäubt starrte sie in die Dunkelheit. Und wenn es nun doch Máirtíns Auto gewesen war, das ihnen auf Iveragh gefolgt war? Hätte das die Polizei nicht längst herausfinden müssen? Hartnäckig hielt sich die Gewissheit in ihrem Herzen, Matt’n könnte auch dieses Mal im Recht gewesen sein, während sie nichts Besseres zu tun hatte, als sich über seine Besorgnis lustig zu machen!
Sie hob die Hand dicht vor ihre Nase und konnte sie nicht erkennen. Totale Finsternis. Angestrengt lauschte sie auf irgendwelche Laute , bis die Stille in ihren Ohren lärmte. Aus welcher Richtung waren sie gekommen? Sie hatte weder auf Abzweigungen noch sonstige Orientierungspunkte geachtet. Sie hatte sich vollkommen in Máirtíns Hände begeben. Wie konnte sie bloß so leichtgläubig sein? Und wenn er sie nun zu einer Höhle irgendwo am anderen Ende des Dorfes geführt hatte? Warum hatte sie dem Weg, den Máirtín eingeschlagen hatte, nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt?
Sie durfte sich durch ihre Fragen und Zweifel nicht verrückt machen! Das brachte sie keinen Schritt vorwärts. Ihre Hand tastete über den Brief in ihrer Hosentasche. Es gab noch so viel zu erledigen. Nicht allein ihre Kinder brauchten sie. Es war höchste Eisenbahn, dass sie auch in dieser anderen Sache etwas unternahm. Sie musste schon aus dem einfachen Grund durchhalten, um das Missverständnis zwischen Matt’n und Alain ein für alle Mal aus dem Weg zu räumen. Alain gab sich nach wie vor die Schuld am Tod von Beate und Adrian und sie hatte sich bisher höchstens halbherzig Mühe gegeben, ihm das auszureden.
Sie atmete einige Male tief durch und hatte doch das Gefühl , nicht genug Luft zu bekommen. Der Schlag ihres Herzens dröhnte schmerzhaft in den Ohren. Ganz bestimmt waren sie in die richtige Richtung gegangen, geradewegs auf Sean Garraí zu. Was hätte Máirtín davon, wenn der Graf sie nicht fand? Er würde seine Rache erst dann voll auskosten können, wenn Matthias sie entdeckte.
Verdurstet. Verhungert. Gestorben auf gräflichem Grund und Boden. Darauf kam es Máirtín an. Matthias sollte sich bis in alle Ewigkeit Vorwürfe machen, weil sie in seiner unmittelbaren Nähe ihr Leben ausgehaucht und er nichts zu ihrer Rettung unternommen hatte. Máirtín , diese fiese, hinterhältige Ratte, würde den Grafen zerstören, ohne ihm ein einziges Haar krümmen zu müssen. Dieser verfluchte Feigling!
Vielleicht würde sie ja auch erfrieren. Inzwischen schlugen ihre Zäh ne derart heftig aufeinander, dass sie Angst hatte, sich auf die Zunge zu beißen. Sie verbuchte es als ermutigendes Zeichen, dass sie noch nicht den Verstand verloren hatte, sondern sich an die Flasche „Jameson“ erinnerte, an t-uisce beatha , die sie nach wie vor in ihrer Einkaufstüte mit sich herumschleppte. War es Peter der Große gewesen, der vor dreihundert Jahren mit einem Augenzwinkern versichert hatte, dass von allen Weinen, die er kannte, der irische der Beste sei? Nun, jetzt war die Gelegenheit, sich selbst davon zu überzeugen.
Hysterisches Gelächter stieg wie bittere Galle ihre Kehle empor , als sie sich ihre Lage bewusst machte. Das gab’s eigentlich bloß in billigen Actionfilmen und seichten B-Movies . Wieso musste ihr das passieren? Was hatte sie getan, dass Máirtín ausgerechnet sie zur Hauptdarstellerin auserkoren hatte? Oder war sie einer bösen Fee auf den Fuß getreten, ohne dass sie sich bei ihr entschuldigt hatte? Obgleich unzählige Heilige die irische Erde geweiht und sich noch mehr Mönche in ihren clocháin genannten Bethäusern die Knie wund gerieben hatten, im düsteren Scriptorium von Durrow Handschriften von unglaublicher Schönheit verfassten und selbst die modernen Iren oftmals päpstlicher als der Papst waren – Irland würde im Herzen immer heidnisch bleiben. Und seine Besucher damit anstecken.
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