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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Tatsache!“
    Suses Mund zog sich im Zeitlupentempo in die Breite. „Ich würde dich nicht unbedingt als schüchtern bezeichnen, lütt Matt’n.“
    Es dauerte eine ganze Weile, bis dem Grafen der Sinn dieser Feststellung bewusst wurde.
    „Mitunter sind sie unzertrennlich miteinander verbunden“, wiederholte er und legte besondere Betonung auf das erste Wort. „Hatte ich das nicht gesagt? Aber du hast Recht, ich habe sowieso nicht von mir gesprochen. Wer bin ich schon? Ossi hingegen , dieser Teufelskerl wäre ebenso gut ein fähiger Richter geworden. Oder Arzt. Meteorologe, Quantenphysiker oder Pilot. Oder sonst irgendetwas Grandioses. Alles, nur kein verdammter Koch!“
    Suse zuckte zusammen, als er heftig seine Faust in die flache Hand schlug.
    „Und es ist einzig und allein meine Schuld“, gab er zerknirscht zu und kippte den nächsten Whiskey in einem Zug seine Kehle hinab. „Ich war faul und selbstgefällig, während Ossi die Eigenschaft eines Schwammes an den Tag gelegt hat und alles Wissen, das uns meine Privatlehrer vermittelten, in sich aufsog, als wäre es Luft, die er zum Leben brauchte. Ich denke, so wird es wohl auch gewesen sein. Es war kein Wunder, dass er mir schon bald im Lehrstoff weit voraus war. Und es hat mich nicht im Geringsten gestört. Im Gegenteil, ich empfand es als ausgleichende Gerechtigkeit, dass das Glück ihn wenigstens einmal begünstigte und ihm die Chance bot, sich all seine Träume und Wünsche zu erfüllen.“
    „Für ein Kind in deinem Alter war das sehr umsichtig und großmütig gedacht.“
    „Ach, meinst du?“ Er schnaufte verächtlich, ohne den Blick von seinem Glas zu wenden. „Nun, der alte Graf empfand das ein klein wenig anders. Ihm war meine Groß-mü-tig-keit, wie du das so schön nennst, nämlich ein Dorn im Auge und irgendwann verbot er, dass Ossi gemeinsam mit mir von den teuren Lehrern unterrichtet wurde.“
    „Wieso denn das?“
    „Frag das nicht mich! Vielleicht ging es ihm gegen den Strich, dass Ossi mich mit seiner ausgelassenen Heiterkeit ansteckte. Dass er dieses finstere Haus, welches wir in Deutschland bewohnten, mit Lachen und Leben erfüllte und die Legenden und Märchen Einzug hielten, die mir bereits Máire in der alten Sprache erzählte. Vielleicht brauchte der Graf einen billigen Angestellten für seine Schlossküche. Oder er wollte ihn auf subtile Art und Weise in seine Schranken weisen. Ich habe nie kapiert, was ihn zu diesem Schritt bewogen hatte. Dabei wäre es für Ossi ein Kinderspiel gewesen, das Abitur vorzeitig mit ausgezeichnetem Ergebnis abzulegen. Es genügte, wenn er bloß einmal in meine Bücher schaute, und schon war er in der Lage, mir bei den Hausaufgaben zu helfen. Als hätte er die Weisheit mit der Muttermilch in sich aufgenommen. Ich trauere heute noch um den hervorragenden Nautiker, der an ihm verloren gegangen ist. Das Meer war sein Element. Er hat es nicht bloß geliebt, wie wir armseligen Möchtegern-Seeleute von uns behaupten. Im Gegensatz zu uns hat Ossi das Meer verehrt und geachtet, er hat mit ihm gesprochen und es verstanden. Und deswegen hätte er Schiffskapitän sein sollen, nicht ich, verstehst du? Aber ich habe es ihm vermasselt. Alles habe ich ihm versaut mit meiner verfluchten Blasiertheit!“
    Am liebsten hätte sich Suse die Ohren zugehalten , denn sie fürchtete, wenn Clausing weiter in dieser abfälligen Weise von sich sprach, würde sie am Ende gar noch Mitleid empfinden. Mit wachsender Besorgnis beobachtete sie, wie er sich zum wiederholten Mal einschenkte. Zweifellos war er als Seemann ein geübter Trinker, doch was er machte, war längst kein genussvolles Trinken mehr. Er trank absichtlich, geradewegs dem Vergessen entgegen.
    „Adria n hat dir nie Vorwürfe gemacht. Und er würde sicher nicht wollen, dass du das jetzt an seiner Stelle tust.“
    „Natürlich nicht!“ Angesichts dessen, was Clausing als Lächeln ausgab, hätte Suse weinen mögen. „Dafür war er viel zu edelmütig und gutherzig. Er war sogar der Meinung, es würde ihm nicht zustehen, sich in unseren vornehmen Kreisen zu bewegen. Und dann entschuldigte sich dieser Idiot tatsächlich für seine zaghaft geäußerte Bitte, das Abitur ablegen zu dürfen! Er bat den Alten um Verzeihung! Ich hätte ihn erwürgen können! Stattdessen bedankte er sich, weil er einen soliden Beruf erlernen durfte.“
    „Er war ebenfalls als Koch genial“, wisperte Suse mit eingezogenem Kopf.
    „Himmeldonnerwetter, ein Koch! Mehr wollte er angeblich nie!

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