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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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nachdenken müssen. Wie sicher musste er sich sein, dass es auf dieser Welt nichts mehr gab, von dem er träumen konnte.
    Wie armselig musste ein solches Leben sein!
    „Sigmund Freud hat mal behauptet, die Iren wären das einzige Volk der Welt, welches nicht auf Psychoanalyse anspricht. Sie würden sich nämlich einen Dreck um die Wahrheit scheren und erst so richtig in ihrem Element sein, wenn sie Träume ausschlachten und Geschichten erfinden können. Du dagegen schlägst offenbar völlig aus der Art. Du hast nicht viel von einem Iren.“
    „Ich kann ’s nicht mehr hören! Viel hast du nicht von deiner Mutter geerbt“, äffte er wer weiß wen nach und eine tiefe Falte grub sich zwischen seine rabenschwarzen Augenbrauen. „‚Wie ähnlich du deinem Vater bist! Engländer durch und durch!’“
    Clausing goss sein Glas zur Hälfte voll, schwenkte den Whiskey einige Runden, damit der reine Alkohol verdampfen konnte und trank einen Schluck.
    „ Als müsste jeder ein Rudolf Erich Raspe sein!“
    „Raspe?“
    „Der Wolkenschieber, der sich die Lügengeschichten des Barons von Münchhausen ausgedacht hat.“
    „Ach, der! Also kennst du zumindest ein paar Märchen.“
    „Ich weiß deshalb von ihm“, entgegnete er in einem belehrenden Ton, „weil er nicht weit von hier in Killegy begraben liegt. Als er in England und Schottland wegen Veruntreuung und irgendwelcher Skandale um Goldmacherei polizeilich gesucht wurde, floh er hierher, um als Verwalter der Kupferminen von Killarney zu arbeiten. Mit Bergbau kannte er sich nämlich wirklich aus.“
    Er atmete tief durch und hoffte , seine Gefühle damit unter Kontrolle zu bekommen.
    „W arum isst du nichts, Suse? Bist du schon satt? Oder schmeckt es dir nicht?“
    „Oh, natürlich. Es ist sogar sehr gut. Hervorragend, um es nicht gleich zu übertreiben. Ich habe mich noch gar nicht dafür bedankt. “
    „Das musst du nicht, da ich es nicht ganz uneigennützig getan habe. Ich mache kaum etwas lieber als essen.“
    „ Ein Genießer, ich weiß.“ Ihr Lächeln war honigsüß. „Seit wann lebt deine Familie hier?“
    „Keine Ahnung.“
    „Matt’n!“
    Er stöhnte innerlich auf, unterdrückte jedoch seinen Widerwillen und erwiderte beherrscht: „Aus dem Stegreif kann ich dir das nicht genau sagen. Wirklich nicht. Irgendwo gibt es sicherlich Unterlagen, in denen das alles nachzulesen ist.“ Er hob abwehrend eine Hand, weil er sah, wie sie den Mund öffnete. „Frag mich jetzt bitte nicht, wo es steht.“
    Sie spürte, wie ungern er über sich und seine Familie sprach. Oder das, was man üblicherweise als Familie bezeichnete und er in dieser Form off enbar nie kennengelernt hatte.
    Na schön, step by step . Das lief ihr nicht davon.
    Da sie ihm die Laune heute nicht mit aller Gewalt verderben wollte, forderte sie ihn auf: „Erzähl mir mehr. Du warst noch nicht fertig mit Ogham .“
    „Nun, jeder Buchstabe besteht aus einem bis fünf Strichen und hat eine bestimmte Bedeutung. Namen womöglich, Bezeichnungen für Pflanzen und Tiere. Man nimmt an, dass die Ogham -Steine Denkmalfunktion hatten oder Landbesitz anzeigten.“
    „Oder als Grabsteine dienten“, beharrte Suse, die es sich im Schneidersitz in ihrem Sessel bequem gemacht hatte, eine Leinenserviette auf dem Schoß ausgebreitet, und an einem knusprig gebratenen Hühnerbein nagte.
    Er konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und verschränkte lässig die Hände im Nacken. „Zu welchem Zweck auch immer sie aufgestellt wurden, sie sind die ältesten Zeugnisse der irischen Sprache. Striche waren die einfachsten Symbo le, um mit den Werkzeugen des fünften Jahrhunderts in den Stein geritzt zu werden.“
    „Fünftes Jahrhundert? Sag jetzt bloß nicht, die Gräber oben auf dem Hügel sind genauso alt.“
    „Ich vermute es.“
    „ Das sind mehr als tausendfünfhundert Jahre! Wie viele Generationen sind das? Ich gäbe einiges darum zu erfahren, was darauf steht!“
    Matthias lächelte angesichts ihres Eifers und ihrer plötzlichen Begeisterung, die sie bisher so gut zu tarnen versucht hatte.
    Als hätte sie seinen Blick gespürt, hob sie den Kopf und beäugte ihn. Was war los? Hatte sie irgendetwas Falsches gesagt? Wuchsen ihr Eselsohren? Oder hatte sie sich bekleckert? Großer Gott, warum guckte er sie so … so … eben genau so an, wie er es in diesem Moment tat? Es war dieses wahrhaft einmalige Lächeln, das monatelange Schlaflosigkeit auslöste. Ein verheerendes Lächeln, mit dem er ganz nach Belieben

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