... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
bestimmt nicht allzu häufig von Irland zu lesen oder zu hören. Übrigens stand neulich im Irish Independent , dass es inzwischen bloß noch zweitausendfünfhundert mit Reet gedeckte Häuser gibt. Heutzutage ist niemand mehr scharf auf ein Cottage, weil die Versicherungen solche Häuser einfach nicht mehr versichern wollen. Ist zu teuer wegen der hohen Brandgefahr. Eines Tages wirst du bewohnte Cottages ausschließlich in Projects wie im Bunratty Folk Park oder in Bilderbuchdörfern wie Adare finden. Irische Disney-Parks.“
„Schade drum. Andererseits ist es für die Bevölkerung natürlich erfreulich, wenn der Fortschritt Einzug hält und sich die Lebensbedingungen bessern. Aber schön sehen die Reetdächer trotz allem aus.“
„Meine Großmutter, Gott hab sie selig, erzählte immer von einem Deutschen, der ihr Geld für den leer stehenden Stall anbot, weil er dort leben und ihn mit Stroh decken wollte. Er fand Reet romantisch , worauf sie erwiderte, dass das absolut nichts Romantisches an sich hat, sondern in ihrer Jugend ein Zeichen von Armut war. Mäuse und allerlei unappetitliches Getier lebten da drin und das Kaminfeuer schwärzte das Stroh. Bei Regen lief dann der Ruß runter und die Hennen kratzten da oben herum und ließen ihren Dreck auf die Köpfe der Leute fallen. Was in Gottes Namen sollte daran romantisch sein?“
„ Ich kann mir gut vorstellen, dass sich wie bei allen tief greifenden Veränderungen die Geister auch in dieser Frage scheiden und es zu Streit zwischen Befürwortern und Gegnern kommt.“
„ Worauf du einen lassen kannst. Ähm, das wollte ich nicht sagen.“
„Passt schon, Ean . Denn weißt du, ich bin zur See gefahren.“
„ Tatsächlich heulen viele Touristen, dass vom einstigen Armenhaus Europas heute nicht mehr viel zu sehen ist. Die regen sich darüber auf, weil wir bei Lidl und Aldi einkaufen. Da hätten sie schließlich gleich zu Hause bleiben können.“
„ Da wären diese Ignoranten wirklich besser aufgehoben.“
„ Übrigens lag das Wachstum unseres Bruttoinlandsprodukts in den letzten Jahren bei fast acht Prozent, absolute Spitze weltweit und mehr als doppelt so viel wie der Zweitbeste, Finnland, vorweisen kann.“
„Dann wird es wohl in absehbarer Zeit mit den Zahlungen der EU an Irland vorbei ist.“
„ Eines Tages wird der Keltische Tiger für die Entwicklung strukturschwacher Gebiete in Deutschland bezahlen.“
Während sich Suse diese unglaubliche Vorstellung auf der Zunge zergehen ließ, versank Ean an ihrer Seite erneut in andächtiges Schweigen.
„Warum starrst du mich eigentlich dauernd an? Glaubst du, ich merke das nicht?“
„Tut mir leid, ich … Habe ich dich allen Ernstes angestarrt?“, erkundigte er sich voller Verwunderung.
„Ja.“
„Dann muss es dafür einen triftigen Grund geben.“
„Zweifellos. Und ich würde ihn verdammt gern erfahren.“
Mit einer überschwänglichen Geste breitete er einen Wimpernschlag später seine Arme aus und deutete mit dem Kinn nach vorn. „Darf ich vorstellen? Killenymore, mehr als tausend Jahre alt und so ziemlich der schönste Platz auf der Welt.“
„Es gibt ziemlich viele Orte mit der Silbe kill im Namen. Ich gehe mal davon aus, dass die Menschen hier nicht kriegerischer veranlagt sind als anderswo.“
„ Ganz im Gegenteil. Das gälische Wort cill bedeutet Kirche und davon findest du bei uns mehr als genug. Um genau zu sein, gibt es hundertfünfzehn Ortsnamen, die auf den Namen der dortigen Kirchen zurückzuführen sind. Trotz allen Fortschritts sind wir nämlich ein gottesfürchtiges Volk. Ich glaube, nicht mal der Papst könnte gläubiger sein. Als der gute Johannes Paul II., Gott hab ihn selig, 1979 neben dem Wallfahrtsort Knock auch Dublin einen Besuch abstattete, drängten sich eine Million Menschen im Phoenix-Park! Abgesehen vom Vatikan ist Irland damit das Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung den Heiligen Vater in all seiner Herrlichkeit live gesehen hat.“
„Wow. Beeindruckend. Echt. Manchmal allerdings finde ich, dass der Einfluss der Kirche gerade in Irland mehr als nur einen Schritt zu weit geht. Wenn ich mir vorstelle, dass man erst seit 1993 Kondome kaufen kann! Dass erst seit zehn Jahren die Homosexualität nicht mehr strafbar ist, oh Gott! Und das gesetzliche Verbot von Ehescheidungen wurde gar erst 1995 aufgehoben! Oh-Gott-oh-Gott!“
Wieder zuckte Ean mit der Schulter, als könnte er Suses Aufregung nicht verstehen. „Wir kannten es nicht anders. Und manche
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