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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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Probleme lassen sich nicht allein auf eine Weise lösen. Not macht mitunter erfinderisch.“
    „Du fühlst dich hier echt wohl.“
    „Was denkst denn du? Ich möchte nirgends sonst leben. Einige Male, nachdem er damit drohte , mir unwiderruflich die Freundschaft aufzukündigen, habe ich Mat in Deutschland besucht. Im Sommer – was für eine Hitze! Nach einem Tag – Ach, was sage ich?! – nach einer Stunde war ich krebsrot gebrannt und lag mit einem Sonnenstich drei Tage halbtot im Bett. Bhí go leor grian agam . Das nächste Mal im Winter – Schreck, lass nach –, meterhoher Schnee! Und das an der See! Und dann diese Hektik! Überall Häuser und Menschen und Fahrzeuge, überfüllte Geschäfte und breite Straßen, Gedränge und Geschrei und Hupen. Selbst in den Kneipen herrschte eine tödliche Hast und Eile, ein ständiges Kommen und Gehen. Ungesund, sage ich dir. Total ungesund.“
    Er wischte sich mit dem Handrück en über die Stirn, als ließe ihn die Erinnerung daran selbst jetzt noch in Schweiß ausbrechen. „Du musst wissen, Gelassenheit gilt bei uns als sorgfältig kultivierter Lebensstil. Keine Spur davon in Deutschland! Definitiv nichts für mich.“
    „ Sag mal, ich kann mir nicht helfen“, murmelte Suse und blickte sich verwirrt um, „aber irgendwie kam mir die Strecke eben viel länger vor als heute Morgen. Kann das sein?“
    Verlegen rieb sich Ean das Kinn. „Na ja, es war höchstens ein kleiner Umweg.“ Feine Röte überzog sein Gesicht. „Ich dachte, wer weiß, wann wir … wann …“
    Er blieb stehen und drehte Suse an den Schultern im Halbkreis, bis sie mit dem Rücken an seiner Brust lehnte. Wie bunte Plastikperlen auf einer Kette reihten sich kleine Läden, Wohnhäuser, die für „ Bed & Breakfast “ warben, und unzählige Pubs entlang der schnurgeraden Hauptstraße aneinander. Der Zeitungshändler Haylen Connolly hatte sein Haus dunkelblau getüncht, wogegen die angrenzende Bäckerei von Gabriel de Paor in knalligem Rot strahlte. Die Fassade des Heraldikers James Lunny leuchtete orangefarben, die Fenster waren grün abgesetzt. Es schien, als hätte ein übermütiges Kind sämtliche Farben seines Malkastens ausprobiert und willkürlich bunte Flecken auf einem Blatt Papier verteilt.
    Suse bestaunte die wunderschön in gälischer Schrift gestalteten, nostalgischen Schilder über den Schaufenstern. Die Farbenfreude der Gebäude schien ein Ausdruck der Lebensfreude der Bewohner von Killenymore zu sein. Ean deutete auf ein Straßenschild.
    „ Shráid an Cóemhgein “, buchstabierte Suse und würgte im gleichen Atemzug Eans Protest ab. „Ich weiß! Ich weiß, dass es ganz anders ausgesprochen wird.“
    Sie faltete den zerknüllten Zettel auseinander, den ihr Matthias in die Hand gedrückt hatte, und verglich kopfschüttelnd, was er aufgeschrieben hatte, mit dem Namen auf dem Schild. „Holla Fuchs, mit seiner Rechtschreibung ist es nicht gerade zum Besten bestellt“, meckerte sie leise. „Ich weiß gar nicht, inwieweit er der deutschen Orthographie mächtig ist. Das hier zumindest ist geradezu rekordverdächtig.“
    „Zu seiner Ehrenrettung muss ich einwenden, dass es bis heute keine richtige Standardsprache in Irland gibt. Als 1922 sechsundzwanzig von zweiunddreißig Counties die Unabhängigkeit erlangten, wurde die Regälisierung zum Staatsziel und das Irische zur ersten Nationalsprache erklärt. Allerdings gab es weder eine Hochsprache noch eine einheitliche Schriftsprache. Mittlerweile liegen die gälischsprachigen Gebiete räumlich derart weit voneinander entfernt, dass die Unterschiede in den einzelnen Dialekten eher noch markanter geworden sind. Die Rechtschreibung blieb bis zu den Reformen in den fünfziger Jahren nahezu unverändert, aber selbst danach ist es nicht gerade einfacher geworden, das Irische zu lesen. Die Schreibweise auf dem Straßenschild ist die alte, während Mat …“
    „Ist gut! Ist gut!“ Suse winkte lachend ab. „Schon verstanden, Ean. Egal, was ich gegen ihn anbringe, du lässt nichts auf deinen Brötchengeber kommen.“
    Ehe er widersprechen konnte, wies sie auf ein blaues Emailleschild an der gegenüberliegenden Hausecke. „An diesen Pub kann ich mich erinnern. Was heißt Sráid an Rí ?“
    „ King Street .“
    „Na klar. Oh, da ist ja …“
    Während sie von einem Schaufenster zum anderen wieselte und angesichts der kunterbunten Auslagen in wahre Stürme der Begeisterung ausbrach, verbannte sie ihren Begleiter völlig aus ihren Gedanken.

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