... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Miniaturausgaben von Gartenzwergen mit Namen Happy Leprechaun , Leprechaun auf Socken und T-Shirts, Tassen und Schlüsselanhängern, tummelten sich zwischen Dutzenden von Büchern über Wappenkunde und die Bedeutung irischer Namen. Gläser für Irish Coffee konkurrierten mit Bergen von naturfarbenen Aran-Pullovern und CDs mit irischer Volksmusik. Ob sie ihren Jungs vielleicht Hurling-Schläger mitbringen sollte? Ean könnte ihr sicher die Spielregeln erklären. Und da! Lesezeichen mit den Buchstaben des gälischen Alphabets. Wie sie diesen Kitsch doch liebte!
Der Anblick ließ Suse alles um sich herum vergessen. Manchmal brauchte es nicht viel, um sie zufrieden und glücklich zu machen und von gewissen anderen Dingen abzulenken. Es war nichts als geistiges Pirouettendrehen, aber offensichtlich half es ihr.
Diesen Eindruck hatte zumindest Ean sehr schnell gewonnen , der sich lächelnd im Hintergrund hielt. Gemächlich zündete er sich eine Zigarette an, während er Suse dabei beobachtete, wie sie mehrere Male an ihm vorbeischoss, ohne ihn zu bemerken. Mit verschränkten Armen lehnte er an einem Lichtmast und genoss das unterhaltsame Schauspiel, das ihm die kleine, blonde Deutsche bot.
Und aus irgendeinem Grund freute er sich plötzlich diebisch auf die kommenden Tage auf Sean Garraí.
14. Kapitel
Als Suse irgendwann ihren Begleiter vermisste und sich suchend umwandte, bemerkte sie ihn, in ein Gespräch mit zwei jungen Männern vertieft, am anderen Ende der Straße. Mit Plastikbeuteln und Papiertüten beladen kam sie auf ihn zu, über das ganze Gesicht strahlend.
„Lass mich das nehmen“, bot er sich als Packesel an. „Darf ich dich mit zwei alten Schulfreunden bekannt machen?“
„ Haló, is mise Máirtín .“ Ein Hakennasiger reichte Suse mit einem schwachen Lächeln die Hand und musterte sie interessiert aus grauen Augen. Viel länger, als für ihre Begriffe nötig gewesen wäre. Dann stellte er ihr seinen Freund vor: „ Seo é mo seanchara. Liam is ainm do. Is as Nua Eabhrac é .“
„ Máirtín. Liam. Freut mich euch kennenzulernen. Ich bin Susanne.“
„ Tá áthas orm bualadh leat . Bist aus Deutschland, nicht wahr?“
„Sieht man mir vermutlich an“, seufzte sie.
„Die Ankunft eines Fremden , einer Fremden, spricht sich in Killenymore schnell rum. Es ist die Sensation schlechthin.“ Das Lächeln lag noch immer auf Máirtíns Lippen, doch es schien völlig vom Ausdruck seiner Augen losgelöst zu sein.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Suse wusste nicht, was es war, sie spürte indes, wie sich ungeachtet der Wärme die Haare auf ihren Armen aufstellten.
„Máire?“, mutmaßte sie.
„Unter anderem.“
„Hier bleibt auch nichts verborgen.“
„Warum sollte es? Dafür leben wir in einem Dorf, in einem sehr irischen obendrein. Und Tatsache ist, eine neue Frau auf Sean Garraí hat von jeher für reichlich Gesprächsstoff gesorgt.“
„Sooo übel ist das nicht , alles über jeden zu wissen“, mischte sich Ean ein, der um jeden Preis verhindern wollte, dass Suse das Thema „Frauen auf Sean Garraí“ hinterfragte. Er hatte bemerkt, wie sie die Luft angehalten hatte und mit finsterer Miene zwischen Máirtín und ihm selber hin und sah. „Neugierig sein und Fragen stellen ist nämlich ein wunderbarer Zeitvertreib, da sind wir uns ja wohl einig. Es erspart einem das Zeitungslesen, denn die wirklich wichtigen Infos werden ohnehin mündlich weitergegeben.“
„In Deutschland ist das ein Gesellschaftsspiel und nennt sich ‚Stille Post’, was bedeutet, dass die Nachricht zwar weitertransportiert wird, die Genauigkeit der Übertragung am Ende jedoch arg zu wünschen übrig lässt.“
„ Ach was, mit diesem Informationsverlust lässt sich leben. Klatsch und Tratsch sind bei uns absolut akzeptable Formen der Kommunikation und funktionieren schnell und effizient, du wirst schon sehen. Außerdem fördern sie ganz nebenbei die Gemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb des Ortes.“
„ Tatsächlich? Selbst dann noch, wenn dabei über die Frauen des Grafen hergezogen wird? Was er wohl dazu sagen würde?“
Ean erwischte Suse am Ellenbogen und drängte Máirtín dabei unauffällig zur Seite. „Stell dir vor, in grauen Vorzeiten gab es sogar einen eigenen Berufsstand der Erzähler. Die Dichter, filí , genossen wie die Barden, oirfidigh , ein hohes Ansehen. Sie folgten in der Hierarchie nach den Kleinkönigen, den Rechtsgelehrten, gälisch breithiúna oder Brehonen,
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