... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
deine Jacke.“
„Was ist Zeit? Im alten Éire hatte die Zeit keine Macht über seine Bewohner. Kennst du übrigens den? Ein Deutscher fragt einen Iren, wie das irische Wort für ‚morgen’ ist. Sagt der Ire: ‚Wir kennen kein Wort, das eine solche Eile ausdrückt.’“
„Soll heißen, dieses zerranzte, verschlissene Etwas ist zeitlos ?“
„Sie verschleißt nicht, sondern erlangt quasi Patina. Ich neige zu der Behauptung, dass sie genau wie guter Wein mit zunehmendem Alter noch an Wert gewinnt und reifer wird.“
Suse kicherte verhalten. „Ean, mein kleiner Poet, wo hast du nur so reden gelernt? Blumige Worte um nichts zu machen , ist wohl typisch für euch Iren, was?“
„Jeder hat sein Päckchen zu tragen “, seufzte er zum Steinerweichen. „Das eben war der offizielle Slogan der Familie Barbour . Selbst die Royals tragen welche.“
„Ich bin entsetzt! Du als Ire trägst very British togs ?“
„ Was nimmt man nicht alles in Kauf? Wir Iren haben Toleranz salonfähig gemacht. Schließlich habe ich nichts gegen Ausländer.“
„Da bin ich beruhigt.“
„Na, du gehörst ja wohl zur Familie.“
„Bestimmt nicht.“ Suses Stimme klang augenblicklich distanziert und trotzdem irgendwie … beinahe traurig.
Nie könnte sie … Zur Hölle, er war ein Graf! Von einem solchen wurde zweifellos erwartet – einundzwanzigstes Jahrhundert hin oder her –, dass er sich standesgemäß verheiratete. Und ganz bestimmt nicht – Hallo?! – mit einer Frau, die drei uneheliche Kinder zu versorgen hatte! Kinder von einem Mann, dessen Vergangenheit im geheimnisvollen Dunkel verschüttgegangen war. Der ihr nicht einmal seinen Namen hinterlassen hatte, weil sogar seine Geburtsurkunde eine Fälschung gewesen war.
Würde man ihr unter diesen Umständen nicht zeitlebens nachsagen, sie hätte sich dem Grafen aus purer Berechnung und lediglich seines Geldes wegen an den Hals geworfen? In seinem eigenen Interesse und seines guten Rufes wegen konnte sie nicht bei ihm bleiben, ganz zu schweigen davon, ihn zu heiraten.
Nicht, dass sie ihn hätte heiraten wollen. Bestimmt nicht.
Suchen Sie nach einer aussichtslosen Verbindung? Nehmen Sie Matthias Emanuel Clausing und Suse Reichelt. Ein Zugunglück hätte mehr Chancen auf ein Happy End!
Selbst wenn sie gewollt hätte, durfte sie nicht an eine Ehe denken. Einen schönen Skandal würde sie damit auslösen! So sehr hasste sie ihn dann doch wieder nicht, um ihm das Leben auf diese Weise zur Hölle zu machen und seinem gesellschaftlichen Ansehen zu schaden.
Aber sie wollte ihn ja auch gar nicht. Nicht wirklich.
„Nein, Ean , denk nicht mal dran. Das kann nichts werden. Sieh uns bloß mal fünf Minuten genau an und du wirst zugeben, dass wir viel zu verschieden sind. Wir würden uns eher die Köpfe abreißen, als dem anderen in einer Streitfrage Recht geben. Ich kann mich an keine einzige Unterhaltung erinnern, die nicht mit einer Meinungsverschiedenheit endete.“
„Zu streiten liegt den Iren im Blut. Das bringt Schwung in eine Beziehung und lässt keine Langeweile aufkommen.“
„Das ist keine Entschuldigung.“
Ean schaute sie an und sein Blick bohrte sich derart eindringlich in ihren, dass sich Suse unbehaglich abwendete. Er schüttelte den Kopf, als könnte er damit seine Gedanken ordnen und in die richtigen Bahnen lenken, allerdings unterbrach er seine Musterung nicht.
„Wie lebt es sich eigentlich in einem solchen Schloss?“
Ean blinzelte verständnislos. Er deutete mit einer flüchtigen Kopfbewegung über seine Schulter zurück. „Du meinst …“
„Oder wohnt ihr bloß dann auf Sean Garraí, wenn Matt’n hier auftaucht?“
„Oh nein , wo denkst du hin? Das Haus würde total verkommen, wenn wir stets auf diesen Wandervogel warten müssten. Ich bin sogar hier geboren. Übrigens genau wie Mat. Oder all die anderen Ó Briains. So ein Herrenhaus ist äußerst praktisch, musst du wissen. Auf diese Weise spart man ’ne Menge Geld und hat ein riesiges Anwesen praktisch für sich allein.“ Er warf sich feixend in die Brust. „Und obendrein lässt sich damit ungeheuer Eindruck bei Frauen schinden.“
„Alter Angeber , hast du sonst nichts zu bieten?“
„Mmmh. Also , dann lass mich mal überlegen.“ Er fügte eine Kunstpause ein, den Zeigefinger an die Lippen gelegt. „Wie ausführlich willst du meine Antwort?“
Eine Minute lang sagte keiner ein Wort, während sie vom Kiesweg auf die Hauptstraße zum Dorf einbogen. Suse merkte, wie sich ein
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